EU-Workshop Apotheken

Geschlossene Lobby-Gesellschaft Patrick Hollstein, 14.10.2008 15:41 Uhr

Berlin - 

Seit drei Jahren überzieht die EU-Kommission die Mitgliedstaaten mit einer regelrechten Abmahnwelle zum Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheken. Die massive Kritik zahlreicher Regierungen und aus dem EU-Parlament war für Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy bislang kein Grund zur Zurückhaltung. Umso überraschender kommt nun eine Diskussionsrunde: Am Mittwoch gibt die Generaldirektion Binnenmarkt rund 100 Lobbyisten, Vertretern aus den Mitgliedstaaten und geladenen Gästen Gelegenheit zum Schlagabtausch. Sechs Minuten haben die Gruppen, um im Schnelldurchgang ihre Standpunkte darzulegen.

Sowohl Sprecher als auch Zuhörer wurden für das Vormittagsprogramm sorgsam ausgewählt. Die Öffentlichkeit ist vom Workshop ausgeschlossen; Journalisten sind wie Interessenten nicht zugelassen, offiziell aus Platzmangel. Mittags müssen dann auch die Interessenvertreter das Albert Borschette Conference Center verlassen; für den Nachmittag ist ein Dialog zwischen Kommission und Mitgliedstaaten angesetzt.

Neben dem europäischen Apothekerverband (PGEU), der rund 400.000 Pharmazeutinnen und Pharmazeuten in ganz Europa vertritt, wurde auch der Verband der europäischen sozialen Apotheken (EUSP) geladen. Eigenen Angaben zufolge einen die EUSP-Mitglieder dieselben sozialen Werte, beispielsweise die Bereitschaft, Gewinne zugunsten der Versorgung zu reinvestieren.

Früher gemeinnützige Einrichtungen im Besitz von Gemeinden und Krankenkassen, werden die meisten der rund 2300 Apotheken in Italien, Belgien, Frankreich, der Schweiz, Portugal, den Niederlanden und Polen heute allerdings als eigenständige Profit-Center in Kettenstrukturen geführt. Schwergewicht im Verband ist der italienische Zusammenschluss kommunaler Apotheken. Dieser wiederum wird Beobachtern zufolge von den großen Kettenkonzernen dominiert.

Im vergangenen September verabschiedete EUSP ein Strategiepapier zu Besitz- und Niederlassungsbeschränkungen für Apotheken. Darin kommt der Verband zu dem Schluss, dass für die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung nicht die Besitzverhältnisse, sondern alleine die Abgabe durch einen Apotheker entscheidend sind. Der Gesundheitsschutz dürfe nicht als Vorwand für die ungerechtfertigte Einschränkung der Grundfreiheiten missbraucht werden, heißt es in dem Papier. Lediglich bei der Niederlassung kann sich EUSP unter Umständen Einschränkungen zur Sicherung der gleichmäßigen Verteilung vorstellen.

Die Kommission schenkt dem zahlenmäßig eher zweitrangigen, in puncto Liberalisierung dagegen nahe stehenden Verband übrigens nicht zum ersten Mal ihre Aufmerksamkeit: Bei der Mitgliederversammlung des EUSP in Verona trat vor einem Jahr Salvatore D'Acunto, Stellvertretender Referatsleiter der Generaldirektion Binnenmarkt, als Gastredner auf.

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