IDA-Innovationsforum

Experten sehen Liberalisierung kritisch Alexander Müller, 23.01.2008 14:18 Uhr

Köln/Berlin - 

Beim ersten Forum der Innovations-Akademie deutscher Apotheken (IDA) in Köln äußerten sich Experten des Gesundheitswesens größtenteils kritisch zu einer Liberalisierung des Apothekenmarktes. „Es will gut überlegt sein, ein funktionierendes System zu verändern“, fasste Moderator Dr. Andreas Kaapke, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IfH), zusammen. Zurückdrehen könne man das Rad nicht mehr. „Es wäre fahrlässig, das beispielhafte deutsche Apothekensystem der Beliebigkeit schneller Märkte auszuliefern“, so Kaapke.

Einig waren sich die Kongressteilnehmer in Köln nur in einem Punkt: Von der Ende des Jahres erwarteten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum deutschen Fremd- und Mehrbesitzverbot hängt viel, wenn nicht alles ab.

„Eine rein kommerziell gesteuerte Abgabe von Arzneimitteln ist vom Verbraucher nicht gewünscht“, erklärte Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein. In seinen Augen widerspricht die deutsche Regelung nicht europäischem Recht. Auch der vollsortierten Großhandel sei für die Apotheken unverzichtbar: „Rosinenpicker dürfen nicht das System zerstören“, so Preis. Das englische Modell mit vertikal integrierten Konzernen sei dagegen ganz klar abzulehnen.

Ulrich von der Linde, Geschäftsführer des gleichnamigen Großhandels, stimmte dieser Einschätzung zu: In Großbritannien beliefere Pfizer mit einem Marktanteil von 12 Prozent die Apotheken derzeit nur noch über Alliance UniChem. Sollten die Apotheker auch in Deutschland gezwungen werden, künftig mit fünf bis sieben verschiedenen Großhändlern zusammenzuarbeiten, würden die Kosten der Versorgung steigen, argumentierte von der Linde. Er gehe davon aus, dass auch 2010 Arzneimittel zu 95 Prozent in Standortapotheken abgegeben werden. Auch der Großhandel werde seine heutige Rolle beibehalten, auch wenn „bei dem ein oder anderen eigene Filialen dazukommen könnten“.

Avie-Geschäftsführer Dr. Thomas Kerckhoff hingegen erwartet einen Fall des Fremd- und Mehrbesitzverbotes: „Der Apotheker wird ausgewildert und muss sich im Markt zurecht finden.“ Zwischen den Großhändlern werde ein „beinharter Verdrängungswettbewerb“ ausbrechen. Sie seien somit zur Vorwärtsintegration gezwungen. „Es wird eine asymmetrische Wettbewerbssituation geben. Für unabhängige Apotheker kann es eng werden“, prognostizierte Kerkhoff.

Nach einer möglichen Liberalisierung werde ausschließlich der Preis im Mittelpunkt stehen, warnte Friedrich Neukirch, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Klosterfrau. Eine Beratung der Patienten könne dann nicht mehr angeboten werden. „Apotheker, die das trotzdem leisten, müssten anders vergütet werden“, forderte Neukirch, „denn der Preis ist kein Innovationstreiber“. Die Boots-Apotheken in England seien ein „abschreckendes Beispiel“, so Neukirch. Es könne nicht im Sinne der Gesundheitspolitik sein, dass Großhändler ihre Sortimente nach Konditionen auswählten und „schlecht laufende Medikamente rausschmeißen“.