EuGH-Urteil

PTA appellieren an Gröhe APOTHEKE ADHOC, 11.11.2016 13:56 Uhr

Berlin - 

Nicht nur die Apotheker, sondern auch ihre Mitarbeiter machen sich nach dem EUGH-Urteil Sorgen über Zukunft. Der Bundesverband Pharmazeutisch-technischer AssistentInnen (BVpta) warnt in einem Offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vor den Folgen: Das Aufweichen der Preisbindung gefährde Frauen-dominierte Arbeitsplätze in der Apotheke; der Rx-Versandhandel müsse daher verboten werden.

Man sehe die Existenz vieler öffentlicher Apotheken sowie der dort vorhandenen Arbeitsplätze als massiv gefährdet an, schreibt die Bundesvorsitzende Sabine Pfeiffer an Gröhe. „Mit gutem Grund hat sich der deutsche Gesetzgeber für die Gleichpreisigkeit der verschreibungspflichtigen Arzneimittel in ganz Deutschland entschieden.“

Nur so sei es den Krankenkassen überhaupt möglich, durch Festbeträge und gut 21.000 Rabattverträge mit einzelnen Herstellern direkten Einfluss auf ihre Arzneimittelausgaben zu nehmen, ohne damit die wohnortnahe Arzneimittelversorgung der Bevölkerung rund um die Uhr aufs Spiel zu setzen. „Festpreise verhindern gleichzeitig einen fatalen Verdrängungswettbewerb, der unweigerlich zu Versorgungslücken auf dem Lande führen würde.“ Schon jetzt gebe es Jahr für Jahr weniger Apotheken in Deutschland. Das EuGH-Urteil werde diesen Prozess massiv beschleunigen.

Überhaupt nicht nachvollziehbar sei die Begründung, dass ausländische Versandapotheken, die weder persönliche Beratung oder Nacht- und Notdienste leisteten und auch kaum Rezepturen herstellten, einen Wettbewerbsnachteil hätten, der durch die Freigabe von Rabatten ausgeglichen werden müsse. „Hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt. Sowohl die Beratung als auch Nacht- und Notdienste oder Rezepturen sind für die Apotheken extrem kostenintensiv und erfordern hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – wie eben uns PTA. Alle diesbezüglichen Regelungen sind gesetzlich festgeschrieben und entsprechen damit dem Willen des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung.“

„Kann oder besser darf dieser bestmögliche Verbraucherschutz wirklich durch Regelungen des Freien Warenverkehrs innerhalb der EU aufgebrochen werden?“, fragt der BVpta. „Ist es gesundheitspolitisch verantwortbar, insbesondere vom Arzt verordnete Arzneimittel zur reinen Ware zu degradieren? Macht es auch nur irgendeinen verantwortbaren Sinn, Patienten durch Rabatte zu Hamsterkäufen im Ausland zu motivieren und damit einen Mehrverbrauch zu induzieren? Dürfen Gelder der gesetzlichen Krankenversicherung bei uns für eine solche „Rosinenpickerei“ durch ausländische Unternehmen aufgewendet werden?“

Wie dramatisch die Situation sehr schnell werden könne, rechnet der PTA-Verband vor: „Wenn als Folge des Urteils lediglich 10 Prozent mehr verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem Ausland über das Internet bezogen würden, könnten dadurch eben auch 10 Prozent der deutschen Apotheken aufgeben müssen. Bei durchschnittlich mindestens fünf Mitarbeitern pro Apotheke (der Frauenanteil bei den PTA liegt bei 97,9 Prozent), käme so eine Arbeitsplatzvernichtung zustande, deren Dimension die von Kaisers/Tengelmann bei weitem überschreiten würde.“

„Angesichts des Stillstandes in der Diskussion über die PTA-Ausbildung würde dies unsere Berufsgruppe gleich doppelt treffen, da vielen von uns die Arbeit in anderen Bereichen dadurch erheblich erschwert wird“, schreibt Pfeiffer. Finanziert würde das Ganze zudem auch noch aus Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland.

Der EuGH habe mit seinem Urteil dem erklärten Willen des deutschen Bundestages und der Bundesregierung widersprochen und dabei Urteile der obersten deutschen Gerichte schlicht und ergreifend ignoriert. Da die Zuständigkeit für die gesundheitliche Versorgung eindeutig den EU-Mitgliedstaaten vorbehalten sei, könne sich der Gesetzgeber eine derartige Einmischung in seine Gestaltungsrechte nicht gefallen lassen.

„Die Zeit drängt“, schreibt der BVpta. „Obwohl das eigentliche Verfahren in Düsseldorf noch aussteht, haben ausländische Versender unmittelbar nach dem EuGH-Urteil massive Werbekampagnen für ihre Rabattangebote gestartet. Schon jetzt kommen Kunden in deutsche Apotheken, die nach ebensolchen Vergünstigungen bei uns fragen. Diese sind aber aus gutem Grund und daher mit Recht weiterhin verboten. Wird hier bewusst eine Situation herbeigeführt, die bereits nach kurzer Zeit einen Bestandsschutz provoziert?“

Die PTA-Vorsitzende schließt mit einem Appell an Gröhe: „Sie haben es in der Hand, sehr schnell dafür zu sorgen, dass die Arzneimittelversorgung in Deutschland ihr hohes Niveau behält und die Akutversorgung auch weiterhin flächendeckend möglich bleibt.“ Der Rx-Versand sei in vielen EU-Mitgliedsstaaten verboten und europarechtlich zulässig. Pfeiffer weist Gröhe auf die Bundesratsinitiative hin: „Greifen Sie bitte diese Chance zum Schutz der Verbraucher und deutscher Arbeitsplätze auf. Die knapp 64.000 Pharmazeutisch technischen AssistentInnen in deutschen Apotheken setzen auf Ihre Unterstützung!“