EuGH-Urteil

DocMorris: Apotheker gegen den kleinen Mann APOTHEKE ADHOC, 18.11.2016 15:03 Uhr

Berlin - 

Die niederländische Versandapotheke DocMorris wirft der ABDA Panikmache und egoistische Lobbypolitik gegen die Interessen des „kleinen Mannes“ vor. In einem Interview mit den Aachener Nachrichten sagte Firmenchef Olaf Heinrich, die Politik habe den Apothekern seit 2013 Honorarerhöhungen von 900 Millionen Euro gewährt: „Jetzt gibt es mal Geld für den kleinen Mann und schon hagelt es Proteste, und es werden unrealistische Horror-Szenarien an die Wand gemalt.“

Der DocMorris-Chef sieht im EuGH-Urteil im Gegensatz zur ABDA keine Gefahr für die Existenz der Vor-Ort-Apotheken. DocMorris habe zwölf Jahre lang einen Bonus auf verschreibungspflichtige Medikamente gewährt: „In diesen zwölf Jahren gab es kein ‚Apothekensterben‘, keine negativen Auswirkungen auf die Versorgung in der Fläche.“ Wenn sich die ABDA jetzt hinstelle und eine Gefährdung der gesundheitlichen Versorgung beschwöre, sei dies „tatsächlich Panikmache“.

Im EuGH-Verfahren sei es genau um die Frage gegangen, ob irgendeine Gefahr für Patienten bestehe. Die Richter seien zu dem Schluss gekommen, dass die Versorgung eben nicht gefährdet sei. Heinrich: „Die Bundesregierung und die Apotheker hatten keine stichhaltigen Argumente für das Verbot.“ Daher seien die Hürden für ein nachträgliches Verbot auch enorm hoch. Dafür müsse Gröhe statistische und wissenschaftlich eindeutige Belege vorweisen.

Mit Blick auf das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) angekündigte Rx-Versandverbot zeigte sich Heinrich daher relativ unbesorgt. Das Ministerium habe eine monatelang Prüfung angekündigt. Und in der Koalition sei man sich nicht einig. Zudem spreche europa- und verfassungsrechtlich einiges gegen ein Verbot.

Das Argument der ABDA, in 21 von 28 EU-Mitgliedsstaaten sei der Rx-Versandhandel verboten, ist laut Heinrich ebenfalls nicht stichhaltig: 2003 habe der EuGH nämlich entschieden, dass jeder Mitgliedsstaat selbst wählen könne, ob er den Versandhandel erlaube – nicht, ob er ihn verbiete. „Der Unterschied ist wichtig, weil sich der Gerichtshof damit nicht in nationale Strukturdebatten einmischt.“ Außerdem hätten die Richter festgelegt, „dass es nicht möglich ist, den Versandhandel zu erlauben und dann nachträglich zu verbieten, weil einem der Wettbewerb nicht passt“.

Vielmehr biete das EuGH-Urteil die Chance, sich Gedanken über das Apotheken-System von morgen zu machen – und zwar stationäre und Versandapotheken gemeinsam. Die Herausforderung, die Versorgung außerhalb von Städten zu sichern, komme auf jeden Fall und unabhängig vom Versandhandel auf die Gesellschaft zu. Heinrich: „Dieses potenzielle Problem müssen wir vernünftig angehen und nicht mit lautem Geschrei.“

Der ABDA gehe es aber nur um Besitzstandswahrung, so der DocMorris-Chef. Dazu werde die notwendige Regulierung des Arzneimittelmarktes missbraucht, Veränderungen zu verhindern, von denen die Gesellschaft profitieren würde.

Als Alternative zum Rx-Versandverbot schlägt Heinrich eine Preisobergrenze für Arzneimittel vor: „Darin ist der Preis nach oben gedeckelt, nach unten kann aber jeder abweichen. Das verhindert eine finanzielle Belastung der Versicherten.“ Eine Höchstpreisregelung fördere den Wettbewerb in den Städten. Dort könne jeder Apotheker über Rabatte entscheiden und „dort, wo es diesen Wettbewerb nicht gibt, hat der Versicherte durch die Preisobergrenze aber die Sicherheit, dass er nicht finanziell überfordert wird“.

Wenn es durch den Preiswettbewerb nicht mehr attraktiv sei, in der Stadt eine Apotheke zu betreiben, sei es doch eine gute Alternative, eine Apotheke auf dem Land zu eröffnen, wo es kaum Wettbewerb gebe und der Höchstpreis berechnet werden könne. Gedeckelte Höchstpreise in der Fläche und Wettbewerb in der Stadt führe so zu einer besseren Verteilung der Apotheken. Dies sei strukturpolitisch sinnvoll, so Heinrich. Die Monopolkommission und der Sachverständigenrat hätten eine solche Regelung bereits 2006 der Bundesregierung empfohlen. Verhindert haben das laut Heinrich die Apotheker, „indem sie der Bundesregierung stattdessen einen Sparbetrag von 500 Millionen Euro angeboten haben“.