Westfalen-Lippe

Erste Online-Kammerwahl: Attacke auf ABDA Lothar Klein, 18.03.2019 12:03 Uhr

Berlin - 

Im Sommer stehen in Westfalen-Lippe wieder einmal Wahlen an. Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening regiert dort seit zehn Jahren unangefochten mit großen Mehrheiten. Dieser Wahlgang verspricht trotzdem Spannung: Erstmals können die rund 7300 wahlberechtigten Apotheker online abstimmen. Und die Aktive und Neue Liste treten dieses Jahr gemeinsam an. Es geht in erster Linie nicht gegen Overwiening, sondern gegen die ABDA in Berlin: „Wir müssen unserer Kräfte bündeln. Unsere Probleme sind groß genug“, sagt Apotheker Michael Mantell.

Bereits vor fünf Jahren wollte die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) das Experiment der Online-Wahl riskieren. Damals legte sich die Aufsichtsbehörde noch quer, weil es noch zu wenige Erfahrungen damit gab. Inzwischen sind die Sorgen verpufft und die Apotheker in Westfalen-Lippe erhalten erstmals mit den Wahlunterlagen eine PIN und eine TAN.

Gewählt wird in Westfalen-Lippe wie immer in drei Wahlkreisen: Arnsberg, Detmold und Münster. Bis zum 25. Juni müssen entweder die Wahlbriefe oder die Online-Stimmen bei der Kammer eingegangen sein. Durchgeführt wird die Online-Abstimmung von Polyas, ein Anbieter, der sich auf die Stimmabgabe im Internet spezialisiert hat. Organisiert hat Polyas bereits Kammerwahlen für die IHK Berlin und Cottbus und für die Architektenkammern Baden-Württemberg und Brandenburg.

Jeder der über 7000 Apotheker im Kammerbezirk muss zur Online-Wahl seine Mitgliedsnummer und die PIN eingeben. Die Stimmabgabe erfolgt dann wie beim Onlinebanking mit Hilfe einer TAN. Doppelte Stimmabgaben sind ausgeschlossen. Es werden zwei Wahllisten erstellt und die Namen abgeglichen. Außerdem: PIN und TAN befinden sich auf dem Briefwahlunterlagen. Werden diese „freigerubbelt“ zurückgesendet, wird die Stimmabgabe überprüft.

Die Kammer hofft, dass die Online-Wahl die Beteiligung erhöht. Zuletzt lag diese bei 39 Prozent, 2009 hatten sich noch 46 Prozent beteiligt. Bei der letzten Kammerwahl entfielen 52 der 92 Sitze des westfälisch-lippischen Apothekerparlaments auf die Gemeinschaftsliste von Overwiening. Trotzdem nahm sie mit Mantell und Dr. Wolfgang Graute die beiden Vertreter der Aktiven Liste und der Neuen Liste in den Kammervorstand auf. Zusammen kamen beide Listen auf 35 Prozent. Als einzige richtige Opposition haben sich daher die Basisapotheker um Gunnar Müller etabliert. 2014 erhielten die Gruppe 8 Prozent und 6 Sitze.

Das könnte sich im Sommer ändern: Aktive Liste und Neue Liste haben sich zur Liste „Aktive Apotheker*innen“ zusammengeschlossen. „Es muss sich etwas ändern“, begründet Mantell diesen Schritt: „Das Kuschen der ABDA in Berlin können wir nicht mehr ertragen“. Als aktuelles Beispiel für seine Unzufriedenheit verweist Mantell auf das kürzlich vom Bundestag beschlossene Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). Dass ABDA und DAV gegen die neue Impfstoffregelung nur halbherzig protestieren, will Mantell nicht hinnehmen. „Wir laufen in unseren Abgrund“, so Mantell. Wenn es jetzt nur noch einen Euro pro Impfstoffdosis mit der Begründung des nicht vorhandenen Beratungsbedarfs gebe, dann werde der Gesetzgeber demnächst auch bei Folgerezepten das Honorar kürzen. Mantell: „Das kann doch nicht wahr sein, wir brauchen eine klarere, festere Stimme in Berlin.“

Große Sorgen bereitet Mantell auch das derzeitige Tauziehen in der Großen Koalition um das Apothekenpaket von Gesundheitsminister Jens Spahn. „Warum hört man nichts von der ABDA?“, fragt sich Mantell. Am kommenden Samstag komme Spahn zum Westfälisch-Lippischen Apothekertag in Münster, aber ABDA-Präsident Friedemann Schmidt stehe in seiner Apotheke in Leipzig. Dafür hat Mantell kein Verständnis: „Da muss Schmidt doch hin.“ Wie es nach der anstehenden Kammerwahl im Westfallen-Lippe berufspolitisch weitergeht, weiß Mantell noch nicht. Das hänge natürlich einerseits vom Wahlausgang ab. Anderseits haben Mantell und Graute noch nicht entschieden, ob sie bei Fortbestand der absoluten Mehrheit der Overwiening-Liste wieder in den Kammervorstand einziehen werden – falls das Angebot erneut kommt. Und falls Overwiening ihre absolute Mehrheit verliert, ist alles offen.