Kündigung nach Gewaltandrohung

Du sollst den Chef nicht aus dem Fenster werfen wollen Alexander Müller, 14.05.2022 08:53 Uhr

Die fristlose Kündigung eines Buchhalters wurde vom Arbeitsgericht bestätigt. Er hatte gedroht, seinen Chef aus dem Fenster zu werfen. Foto: shutterstock.com / Bonsales
Berlin - 

Wütend auf den Chef oder die Chefin ist bestimmt jede/r mal. Und es ist sogar arbeitsrechtlich zulässig, unter Kolleg:innen über Vorgesetzte zu lästern. Wer allerdings in so einem Gespräch glaubhaft ankündigt, den Chef aus dem Fenster zu werfen, muss mit einer fristlosen Kündigung rechnen. So hat es jedenfalls das Arbeitsgericht Siegburg entschieden.

Über eine ausgesprochene Abmahnung hatte sich der langjährige Buchhalter so geärgert, dass er gegenüber einer Kollegin ordentlich Dampf abließ: „Diesen kleinen Wicht schmeiße ich aus dem Fenster. Ich lasse mir das nicht länger gefallen. Ich bin kurz vorm Amoklauf. Ich sage dir, bald passiert was. Der lebt gefährlich, sehr gefährlich“, sollen seine Worte nach ihrer Aussage gewesen sein. Aus Sorge, dass wirklich etwas passiert, habe sie den Amtsleiter informiert.

Der Buchhalter wurde daraufhin fristlos entlassen, dagegen klagte er vor dem Arbeitsgericht. Nach seiner Darstellung hat er der Kollegin zunächst erklärt, dass er unglücklicherweise mit dem Amtsleiter kurz aneinandergeraten sei, weil er selbst ein Honigglas als Weihnachtsgeschenk von der Bürgermeisterin nicht habe annehmen wollen. Er habe sich über den Amtsleiter geärgert, weil dieser seine persönliche Einstellung nicht respektiere.

Was die vermeintliche Drohung betrifft, so habe ihn die Kollegin vollkommen falsch verstanden. Auf der Fensterbank habe ein Karnevalsflyer mit dem Amtsleiter als Karnevalsprinz gestanden, das Foto mit Mütze und den engen Strumpfhosen habe er mit einem kleinen Wicht assoziiert. Er habe dann erklärt, dass er den Flyer schon längst aus dem Fenster geworfen hätte. Und was den Amoklauf betrifft, so habe er vor dem Hintergrund der aktuellen Arbeitsauslastung gesagt, dass er so viel Arbeit habe, dass er Amok laufen könne. Dabei habe er aber das malaiische „amuk“ gemeint, dass er also rasend, schreiend und wütend sei. Schließlich habe er der Kollegin gesagt, dass kleine Sünden von Gott in der Regel sofort bestraft würden und sich der Amtsleiter deshalb in Gefahr befinde.

Lästern ist erlaubt, drohen nicht

Das Gericht bewertete diese Aussage als reine Schutzbehauptung und glaubte der Darstellung der Zeugin. Nach ihrer Aussage hatte der Buchhalter seien Drohung „lautstark mit fester Stimme“ ausgesprochen.

Der wichtige Grund für die außerordentliche Kündigung besteht aus Sicht der Richter darin, dass der Buchhalter in ernstzunehmender Art und Weise gegenüber der Zeugin Äußerungen gemacht hatte, die sowohl die Ankündigung für eine Gefahr von Leib und Leben des Amtsleiters als auch die Ankündigung eines Amoklaufs beinhalteten.

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in anderen Fällen schon entscheiden, dass diffamierende Äußerungen über Vorgesetzte oder Kollegen in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen nicht ohne Weiteres eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Der Arbeitnehmer darf anlässlich solcher Gespräche darauf vertrauen, dass seine Äußerungen nicht nach außen getragen werden. Die Ankündigung einer schweren Straftat wie in diesem Fall ist aber aus Sicht des Arbeitsgerichts nicht mehr vom Schutzbereich allgemeinen Persönlichkeitsrecht erfasst. Natürlich habe die Kollegin diese Aussagen an den Amtsleiter weitergeben dürfen.

Danach war auch die fristlose Kündigung zulässig. Eine vorherige Abmahnung sei in diesem Fall entbehrlich. Eine Weiterbeschäftigung des Buchhalters bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei dem Arbeitgeber nicht zuzumuten. Teilerfolg für den Kläger: Weil das Verfahren um die Kündigung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, hat er Anspruch auf ein Zwischenzeugnis – ohne die Episode mit dem Fenstersturz.