Arzneimittelpreise

Die Kassen und die Kaufmannsregeln Janina Rauers, 27.01.2012 09:41 Uhr

Berlin - 

Guten Kunden gibt man kein Küsschen, sondern Rabatt. Wer die doppelte Menge kauft, muss nicht doppelt so viel zahlen – das weiß jedes Kind, das einen Kaufmannsladen hat. Die Krankenkassen haben ihre eigene Sicht auf diese Dinge, nämlich die aus der Vogelperspektive: Für sie darf die Hälfte nicht mehr als die Hälfte kosten. Mengenrabatt minus Menge ist gleich Rabatt.

 

Der Hintergrund ist folgender: Seit August 2010 dürfen die Hersteller ihre Preise nicht erhöhen; wer sich nicht daran hält, bekommt die Differenz automatisch als Zwangsrabatt abgezogen. Das Preismoratorium gilt auch für Präparate, die erst später auf den Markt gekommen sind. Als Vergleich dienen dann Medikamente desselben Unternehmens mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform. Und hier versuchen die Kassen, mit ausgebufften Rechenmanövern einen möglichst guten Schnitt zu machen.

Beispiel Rebif: Merck Serono hat für das Interferon-Präparat eine neue 12er- Packung mit 22 µg auf den Markt gebracht. Der Listenpreis für die Patronen liegt bei 3480 Euro – 1701,51 Euro werden aber als Zwangsrabatt sofort abgezogen. Denn als Vergleichsmaßstab dient nicht die kleinere Einheit mit derselben Wirkstärke, sondern die 12er-Packung in der doppelten Dosis, die der Hersteller für 4281 Euro verkauft.

 

 

Auch bei Generika und Reimporten greift das erweiterte Preismoratorium. So muss ACA Müller für den Blutdrucksenker Aprovel 75 mg, 98 Stück, einen Zwangsrabatt von 17,63 Euro zahlen. Auch hier hat sich der GKV-Spitzenverband für den Umweg über die höhere Dosierung entschieden: Vergleichsprodukt ist die N3 mit 150 mg. Weil die doppelte Stärke nicht doppelt so teuer ist, sinkt der Preis für die Hälfte.

Die Suche nach dem jeweils besten Referenzprodukt ist kniffelig. Daher liegen den Herstellern auch erst jetzt die ersten Rechnungen vor. Vor allem die Reimporteure hoffen, den Rechenkünstlern auf der Kassenseite doch noch zu entkommen. Mitte Dezember pfiff das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den GKV-Spitzenverband zurück: Solange ein Abstand von 15 Euro beziehungsweise 15 Prozent zum Originalpräparat bestehe, hätten sich die Kassen überhaupt nicht für die Preise zu interessieren, so das Argument.

Nachzutragen wäre noch, dass auch die Hersteller es mit dem kleinen Kaufmanns-Einmaleins nicht ganz so genau nehmen: Das Beispiel Rebif etwa sollte in der 12er-Packung exakt das Dreifache der 4er-Packung kosten. Mengenrabatt minus Rabatt ist gleich Menge.