Altersarmut

Die Angst vor dem Morgen Silvia Meixner, 13.07.2018 16:36 Uhr

Die Angst vor Altersarmut geht in Deutschland um – neuen Zahlen zufolge liegt fast jede zweite Altersrente unter 800 Euro im Monat. Auch die Apothekenbranche ist von Altersarmut betroffen, da in den Offizinen traditionell viele Frauen in Teilzeit arbeiten. Das wirkt sich eines Tages dann auch auf die Rente aus. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Die Angst vor Altersarmut geht in Deutschland um – neuen Zahlen zufolge liegt fast jede zweite Altersrente unter 800 Euro im Monat. Und die Zukunft sieht alles andere als rosig aus. Mitarbeiter der Apothekenbranche sind wegen ihres hohen Anteils an Teilzeitkräften besonders davon bedroht. Hubertus Heil, Bundesminister für Soziales und Arbeit (SPD), stellte heute seine Rentenpläne vor.

Auch in Apotheken geht die Angst um, denn viele Mitarbeiter werden eines Tages von Altersarmut betroffen sein. Rund 60 Prozent aller Apothekenmitarbeiter arbeiten in Teilzeit. Was heute als familienfreundliche Lösung besticht, kann sich morgen schon zum Bumerang wandeln. Dann nämlich, wenn eines Tages der erste Rentenbescheid ins Haus flattert.

Laut Teilzeit- und Befristungsgesetz, das seit 2011 gilt, hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Teilzeit, der mindestens sechs Monate in einem Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern tätig ist. Viele Apothekenmitarbeiter nehmen dieses Recht gern in Anspruch, denken aber oft nicht daran, welche Auswirkungen es in einigen Jahren haben wird. Denn wer heute in Stunden vergleichsweise wenig arbeitet, erhält eines Tages dann natürlich auch eine niedrigere Rente als Kollegen, die immer Vollzeit in der Offizin standen.

Der Betrag von 800 Euro beruht auf einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion. Rund 8,6 Millionen Rentner erhielten bundesweit Ende 2016 eine Rente von weniger als 800 Euro monatlich, das ist ein Anteil von 48 Prozent, mögliche weitere Einkommen, etwa von anderen Haushaltsmitgliedern, wurden hierbei allerdings nicht berücksichtigt.

Heils heute in Berlin präsentiertes Rentenkonzept soll Mütter, Geringverdiener und Erwerbsgeminderte stärken. Zusätzliche Kosten für den Staatshaushalt: 30 Milliarden Euro. Die wichtigsten Eckpunkte des Rentenkonzeptes sind im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD festgelegt. Das Rentenniveau soll zumindest bis zum Jahr 2025 auf 48 Prozent des Durchschnittslohns gehalten werden. Beschlossen ist zudem eine Kommission, die ein Konzept für die Zeit nach 2025 erarbeiten soll. Von 2021 bis 2024 sollen jährlich zwei Milliarden Euro in den sogenannten „Demografiefonds“ einfließen. Der Staat übernehme über einen erhöhten Zuschuss aus Steuermitteln zusätzliche Verantwortung für die Stabilität der Rentenkasse, sagte Heil. Er sagte bei der Präsentation seines Rentenkonzepts, dass auf die Absicherung im Alter Verlass sein müsse, „und zwar auch in Zukunft“.

Die statistischen Zahlen machen vielen Menschen Angst. Bei den Erwerbstätigen sind derzeit rund acht Prozent auf Grundsicherung angewiesen, bei Kindern unter 15 Jahren sind es 15 Prozent, bei Menschen über 65 3,1 Prozent. Eine gute Nachricht gibt es für Vielfach-Mütter: Für jedes vor 1992 geborene Kind sollen sie ein drittes Jahr Kindererziehungszeit erhalten. Davon soll laut Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) jede vierte Rentnerin profitieren. Die Ausweitung der Mütterrente ist mit Kosten von rund 26 Millionen Euro bis 2025 der teuerste Posten der Reform.

Geringverdiener sollen laut Plänen des Bundesministers für Arbeit und Soziales von Sozialbeiträgen entlastet werden. Die Einkommensgrenze, ab der der volle Satz Sozialbeiträge gezahlt werden muss, soll von 850 auf 1300 Euro steigen. Davon sollen laut Heils Berechnungen drei Millionen Menschen profitieren.

Gewerkschaften und Sozialverbände warnen vor der Gefahr, dass die Zahl jener, die von Altersarmut betroffen sind, künftig massiv ansteigen könnte. Andere Experten hingegen gehen von keinem oder nur einem moderaten Anstieg aus. So sagt zum Beispiel Jochen Pimpertz, Experte für soziale Sicherung beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, dass der Anteil der Grundsicherungsbezieher bis zum Jahr 2030 bei den Senioren unter oder um 5 Prozent steigen wird. Skeptischer zeigt sich Bruno Kaltenborn, Wirtschaftsforscher in Berlin. Er sagt: „Wenn man im Alter arm ist, hat man weniger Chancen als in jüngeren Jahren, da wieder herauszukommen.“

Am deutlichsten warnt Verdi-Chef Frank Bsirske vor den Gefahren der Altersarmut. Ohne Umsteuern der Rente drohe Altersarmut „bis weit in die Mitte der Gesellschaft“.

Das „Rentenpaket für Deutschland“ soll den Menschen die Sorgen nehmen. Aber das Volk ist seit Norbert Blüms Versprechen, dass die Renten sicher seien, skeptisch und misstrauisch geworden. Bei der Vorstellung seiner Pläne sagte Heil, dass diese „neues Vertrauen schaffen“ sollen. Es ginge darum, die älter werdende Gesellschaft zusammenzuhalten und nicht zuzulassen, dass Generationen gegeneinander ausgespielt würden. Das „Rentenpaket“ ist eine grobe Vorgabe, die Details sollen in den kommenden Monaten in den Koalitionsfraktionen diskutiert werden.