Betrugsvorwurf

Der König der Rezepte aus Leipzig Alexander Müller, 05.06.2018 10:22 Uhr

Berlin - 

Ein schwarzes Schaf kann die ganze Herde in Verruf bringen. Deshalb sind auch die meisten Apotheker nicht scharf darauf, wenn einer von ihnen für negative Schlagzeilen sorgt. Doch in Leipzig hat man das Gefühl, dass etliche Apotheker erleichtert und vielleicht mit ein bisschen Genugtuung darauf reagieren, dass nun gegen einen Kollegen ermittelt wird. Die Hintergründe zu der Durchsuchung in der vergangenen Woche erhellen sich.

Zum Polizeieinsatz selbst ist noch immer nicht viel bekannt. Der Apothekeninhaber möchte sich verständlicherweise vorerst nicht weiter dazu äußern. Die Staatsanwaltschaft Leipzig bestätigt auf Anfrage auch nur, dass am vergangenen Mittwoch im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens eine Leipziger Apotheke durchsucht wurde.

Zum Grund der Ermittlungen teilt der Sprecher der Staatsanwaltschaft lediglich mit: „Gegenstand des Verfahrens ist der Verdacht des Betruges zulasten verschiedener Krankenkassen.“ Weitere Details zum Tatvorwurf oder zum Beschuldigten kann und darf er zu diesem frühen Zeitpunkt der Ermittlungen nicht machen.

In Leipzig hat sich natürlich längst herumgesprochen, welcher Kollege den ungebetenen Besuch im Haus hatte. In dieser Hinsicht ist auch die sächsische Boomstadt ein Dorf geblieben. Leipzig ist aber vor allem auch ein „Haifischbecken“, heißt es, mit hartem Wettbewerb unter den Apothekern. Und Apotheker L. ist mit Sicherheit kein kleiner Goldfisch. Sehr aktiv in der Heim- und Praxisversorgung, hat er schon länger das Misstrauen der Kollegen auf sich gezogen. Seit der Wende hat er rund um seine Apotheke Grundstücke und Immobilien erworben und hier fünf Ärztehäuser aufgebaut. Auch an mindestens einem Seniorenzentrum ist er beteiligt.

Der Verdacht der Kollegen: L. bekommt aus den Ärztehäusern nicht nur die Miete, sondern mehr oder weniger gezielt auch die Rezepte zugeschoben. Das allein wäre eine illegale Zuweisung nach dem Apothekengesetz (ApoG) und den Berufsordnungen beider Seiten sowie gegebenenfalls sogar ein Verstoß gegen das Anti-Korruptionsgesetz.

Nur interessieren sich normalerweise die Krankenkassen nicht für solche Fälle. Da sie aber laut Staatsanwaltschaft zu den mutmaßlich Geschädigten zählen, macht in Leipzig ein anderes Gerücht die Runde. L. soll mit den Ärzten Vereinbarungen getroffen haben, damit diese Scheinrezepte ausstellen, die dann in seiner Apotheke abgerechnet werden. Der Gewinn aus den bezahlten, aber nie ausgelieferten Arzneimitteln wird in solchen Modellen für gewöhnlich geteilt. Belegt sind solche Verdächtigungen allerdings nicht.

Und dann ist da die Sache mit den Pflegediensten. L. soll auch hier einen erstaunlich guten Draht zu Anbietern von betreutem Wohnen zu haben. Konkurrenten berichten davon, wie Stammkunden von einem Tag auf den anderen keine Rezepte mehr einreichten, nachdem sie die Wohnanlage bezogen hatten – selbst wenn diese immer noch näher zur ehemaligen Stammapotheke lagen.

Die betreuenden Pflegedienste gehen mit ihrer Empfehlung immer recht weit, wie ein anderer Apotheker berichtet: „Eine Patientin, die weiterhin von uns versorgt werden wollte, hat uns gebeten, die Medikamente in einer neutralen Tüte zu liefern. Sonst bekäme sie Ärger mit der Schwester.“ Offenbar verfüge L. über ganz erhebliche Druckmittel, argwöhnt der Kollege.

Und dabei ist er einer der wenigen, die überhaupt ausführlicher über L. reden. Die meisten seiner Kollegen wollen „ganz bewusst keine Details“ kennen oder beteuern inbrünstig, mit der ganzen Sache nichts zu tun zu haben. Einer Apothekerin erschien das Ganze zwar „immer schon ein bisschen mysteriös“ und sie will von Absprachen gehört haben, weiter einlassen möchte sie sich aber auch nicht.

L. meinte gegenüber APOTHEKE ADHOC nur, da gäbe es nicht zu berichten und dass sich alles klären werde. Vor Gericht muss der Apotheker aber sowieso. Dem Vernehmen nach hat eine Leipziger Kollegin ihn wegen der Rezeptbewegungen in der Heimversorgung verklagt. Zur mündlichen Verhandlung werden einige Kollegen erwartet – und womöglich auch Beobachter von Banken und Investoren, die seine Immobilienprojekte in den vergangenen Jahren mit finanziert haben.