Apothekerin vs. Lauterbach/Özdemir

Cannabis-Eckpunkte: „Förderprogramm für den Schwarzmarkt“ Patrick Hollstein, 13.04.2023 11:32 Uhr

Was Cem Özdemir und Karl Lauterbach in Sachen Cannabis-Legalisierung vorschlagen, ist laut Apothekerin Melanie Dolfen ein Witz.
Berlin - 

Mit seinen neuen Eckpunkten zur Cannabis-Legalisierung macht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Rolle rückwärts: Statt Apotheken oder spezialisierten Fachgeschäften sollen Vereine die Versorgung der Konsumenten übernehmen. Apothekerin Melanie Dolfen kritisiert, dass die Ampel damit das Gegenteil dessen erreicht, was sie eigentlich geplant hatte.

Zum zweiten Mal innerhalb von nur sechs Monaten stellte Lauterbach am gestrigen Mittwoch in der Bundespressekonferenz Eckpunkte für eine Cannabis-Legalisierung vor. Diesmal musste er wenigstens nicht alleine vor die Presse treten, Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) saß an seiner Seite. Justizminister Mario Buschmann (FDP) fehlte entschuldigt – Urlaub. Er trage das Projekt aber uneingeschränkt mit, versicherte Lauterbach.

Keine Unterstützung kommt dagegen von der EU-Kommission. Die hat sich den im Koalitionsvertrag versprochenen Plänen der Ampel in den Weg gestellt. Lauterbach sprach zwar immer wieder von „sehr guten Gesprächen“, die unter dem Siegel der Vertraulichkeit stattgefunden hätten. In unachtsamen Momenten ließ er seine Enttäuschung aber dann doch immer wieder durchblicken, dass er sich in Brüssel bislang nicht durchsetzen konnte. Nun hofft er, eine gewisse Anzahl von Mitgliedstaaten zu überzeugen, um sich mit seiner „Pionierarbeit für die Drogenpolitik in Europa“ doch noch einen Namen zu machen.

Fachgeschäfte im zweiten Schritt

Ansonsten blieben die Eckpunkte 2.0 abermals an vielen Stellen im Ungefähren. Fachgeschäfte und kommerzielle Lieferketten würden kommen, in einem zweiten Schritt, vielleicht auch in Gestalt der Apotheken. „Das schließen wir nicht aus, aber das bleibt abzuwarten.“ Dasselbe gelte für akute Fragen wie den Anbau und die Beschaffung außerhalb der jeweiligen Modellregion. Oder auch die Preisbildung.

Man arbeite derzeit intensiv an den Details. Am Ende gehe es darum, die bestmögliche wissenschaftliche Evidenz zu generieren, um eine „progressive Cannabispolitik nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa“ umsetzen zu können. Die sei bislang nämlich von vorne bis hinten verpfuscht: Seit Jahren gebe es immer mehr Konsumenten, immer höhere Dosierungen und immer gefährlichere Beimengungen.

Was Lauterbach und Özdemir in diesem Zusammenhang gebetsmühlenartig vortrugen: Cannabiskonsum soll nicht nur entkriminalisiert, sondern auch sicherer werden. Einerseit durch kontrollierte Qualität, andererseits durch die Zurückdrängung des Schwarzmarkts, auch und gerade mit Blick auf die Jugendlichen, für die der Konsum wegen ihrer Entwicklung ein besonderes Risiko darstellen kann.

Jugendliche als Zielgruppe

Wie das denn gehen soll, wenn doch nur Menschen ab 18 Jahren Mitglied in den Clubs und Vereinen werden können, wollte ein Journalist wissen, und ob man dann nicht die Dealer sogar regelrecht auf die Jugendlichen ansetze? Nein, erklärten die beiden Minister unisono: Jugendliche würden oft gerade in der Erwartung angesprochen, dass man sie als jahre- oder gar lebenslange Konsumenten gewinne. Indem man für die Volljährigen die Möglichkeit schaffe, sich über legale Quellen zu versorgen, trockne man den Schwarzmarkt also auch mit Blick auf die Jugendlichen aus.

Bei Melanie Dolfen verfangen diese Aussagen nicht. „Das ist ein Förderprogramm für den Schwarzmarkt. Das genaue Gegenteil dessen, was die Ampelkoalition versprochen hat“, sagt die Inhaberin der Bezirksapotheken in Berlin, die sich auf Medizinalcannabis spezialisiert hat und die Freigabe zu Genusszwecken kritisch sieht. Mit den geplanten Maßnahmen werde Cannabis nicht legalisiert, sondern privatisiert. „Die Bundesregierung erlaubt eine Art Bürgercannabis für Deutschland, ohne zu regeln, wo diese 25 Gramm, die sie erlauben will, herkommen sollen. Drei Pflanzen pro Person und ‚Cannabis Club‘ Anbauvereine sollen die Nachfrage decken? Wer kein Vereinsmitglied ist, kauft bitte wo ein?“

Was ist übrig geblieben?

Sie fragt sich, ob niemand die Rechtslage auf EU-Ebene gekannt hat. „Transparenz, Qualität, Verbraucherschutz? Ist das alles ein Witz gewesen? Wie ernst gemeint sind vor diesem Hintergrund die ‚regionalen Modellprojekte für lizensierte Geschäfte‘, die von den letzten Eckpunkten zur Cannabislegalisierung übrig geblieben sind?“ Die Eckpunkte beerdigen ihrer Meinung nach das Wahlversprechen einer Cannabislegalisierung.