Berufsrecht

Koalition entschärft Anti-Korruptionsgesetz Alexander Müller, 23.03.2016 16:56 Uhr

Berlin - 

Das Berufsrecht der Apotheker und Ärzte wird nun doch nicht strafrechtlich relevant. Die Regierungsfraktionen von Union und SPD haben sich beim Anti-Korruptionsgesetz auf eine entsprechende Änderung verständigt. Der vielfach als zu unpräzise kritisierte Passus wird im Gesetzesentwurf ersatzlos gestrichen. Im April will die Große Koalition das Gesetz verabschieden.

Nach dem Ärztefreispruch im Jahr 2012 aufgrund der aktuellen Gesetzeslage will die Politik mit dem Anti-Korruptionsgesetz klare Grenzen ziehen. Wer als Heilberufler im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung einen Vorteil dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Verordnung oder dem Bezug von Arzneimitteln einen bestimmten Anbieter im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt, wird laut Entwurf mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. Dasselbe gilt für die Zuführung von Patienten. In besonders schweren Fällen sind bis zu fünf Jahre möglich.

Bislang gab es einen zweiten Punkt im Gesetz, wonach ebenso bestraft wird, wer in diesem Zusammenhang „seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletzt“. Schon bei der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags Anfang Dezember hagelte es Kritik. Die sehr prominente Anbindung an das Berufsrecht im geplanten Strafrechtsparagrafen wird von den Experten als Webfehler des Gesetzes getadelt.

Im Januar hatten die zuständigen Unionsabgeordneten um den Berichterstatter Dr. Jan-Marco Luczak Vertreter der Apotheker, Ärzte, Hersteller, Großhändler und Kassen zu einem weiteren Gespräch geladen. Auch hier war die einhellige Meinung, dass die Verletzung der heilberuflichen Unabhängigkeit als Tatbestandsmerkmal gestrichen werden müsse. Der Großhandelsverband Phagro ging sogar noch einen Schritt weiter und forderte die Streichung des kompletten zweiten Absatzes, der das Berufsrechts beim Bezug thematisiert. Die Herstellerverbände unterstützten dies. Den Argumenten sind die Regierungsfraktionen nun offenbar gefolgt.

Eine weitere Änderung betrifft die Strafverfolgung: Korruption im Gesundheitswesen wir nun als sogenannte Offizialdelikt ausgestaltet. Das bedeutet, dass die Staatsanwälte Taten von Amts wegen verfolgen können. Nach den bisherigen Plänen wäre dies nur auf Antrag möglich gewesen. Ein Strafantrag – etwa eines Patienten, Konkurrenten oder einer Krankenkasse – ist nun nicht mehr notwendig.

Das Berufsrecht wird von den Kritikern allgemein als zu unbestimmt angesehen, weil es keine konkreten Verbotsvorschriften gibt. Vor allem aber könnte die Formulierung zu Ungleichheit führen: Bei Ärzten und Apothekern variieren die Berufsordnungen je nach Bundesland. Was in einem Land erlaubt wäre, könnte in einem anderen unter Strafe stehen – im Strafrecht ein Unding. Hinzu kommt ein Legitimationsdefizit, weil die Kammern ihr Berufsrecht selber schreiben. Damit hätten sie künftig maßgeblichen Einfluss darauf, was unzulässig ist und was nicht.

Mit der geplanten Straffung des Gesetzes konzentriert sich der Gesetzgeber jetzt auf die wettbewerbsrechtliche Komponente. Das dürfte die Strafverfolgung nach Ansicht renommierter Strafrechtler deutlich vereinfachen – und unter dem Strich gerechter sein.

Luczak sagte zu der Änderung: „Wir haben lange über juristische Details beraten, um ein rechtssicheres und verfassungsgemäßes Gesetz zu erarbeiten. Klar ist, dass Verstöße gegen den fairen Wettbewerb durch korruptes Verhalten bestraft werden müssen.“ In der Anhörung mit Experten seien in Bezug auf die berufsrechtlichen Pflichten jedoch „erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel“ zutage getreten. „Hier bestanden gewichtige Bedenken, ob die Norm das strafbare Verhalten hinreichend präzise und konkret genug beschrieben und damit dem Bestimmtheitsgebot Rechnung getragen hätte“, so Luczak.

Der Bundesgesetzgeber hätte Luczak zufolge hier nämlich auf Berufspflichten Bezug genommen, die in den einzelnen Bundesländern durch die Berufskammern sehr unterschiedlich geregelt und ausgelegt werden. „Folge wäre nicht nur ein Legitimationsdefizit gewesen, sondern möglicherweise auch eine unterschiedliche Strafbarkeit.“

Diese verfassungsrechtlichen Zweifel habe der Gesetzgeber ernst genommen und daher die zweite Tatbestandsalternative gestrichen. Das gleiche Verhalten eines Arztes dürfe nicht in einem Bundesland erlaubt, in einem anderen Land aber als Korruption strafbar sein. „Ein solcher Flickenteppich hätte zu Rechtsunsicherheit geführt, das wollte ich unbedingt vermeiden“, erklärt der CDU-Abgeordnete.

Luczak stellt aber klar, dass die Änderung nicht zu Strafbarkeitslücken führe. In der Praxis würden Korruptionsfälle fast ausnahmslos von der ersten Tatbestandsalternative zum Schutz des lauteren Wettbewerbs erfasst. „Der Begriff des 'Wettbewerbs' ist in diesem Zusammengang weit auszulegen.“ Auch ein Monopolist könne sich daher strafbar machen, wenn er durch korruptes Verhalten den Marktzutritt von Wettbewerbern verhindern wolle.

In anderen Konstellationen liege in aller Regel eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung, Betrug oder Untreue vor. „Bereits jetzt gilt, dass etwa die Verschreibung eines nicht medizinisch indizierten Medikaments als Körperverletzung bestraft werden kann“, so der CDU-Politiker. Insgesamt haben man damit korruptes Verhalten im Gesundheitsbereich umfassend unter Strafe gestellt.

Wenn die Koalition die Änderungen im April in zweiter und dritter Lesung im Bundestag beschließt, könnte das Gestz noch wie geplant vor der Sommerpause in Kraft treten.