Berufsrecht

Apotheker: EU darf prüfen, nicht mitreden Lothar Klein, 10.07.2017 07:59 Uhr

Berlin - 

Erneut hat die EU versucht, mit einer Richtlinie tief in die Hoheit ihrer Mitgliedstaaten zur Regulierung Freier Berufe und Handwerker einzugreifen. Betroffen sind Notare, Anwälte, Architekten, aber auch Apotheker und Ärzte. Änderungen im Berufsrecht sollten danach vorab in Brüssel angemeldet und abgestimmt werden. Dagegen wehrten sich die ABDA und die Bundesärztekammer (BÄK). Sie sahen das Subsidaritätsprinzip verletzt. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) meldet nun Entwarnung. Aber die Freien Berufe bleiben skeptisch.

Bundesregierung und Bundesrat hatten im Laufe der Beratungen ihre Bedenken gegen die Einmischung bei der EU-Kommission zu Protokoll gegeben und sogar eine Subsidiaritätsrüge gegen die Kommission erhoben. Der Richtlinienvorschlag der EU sah unter anderem vor, dass noch vor Erlass einer neuen oder vor der Änderung einer bestehenden berufsrechtlichen Regelung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt werden sollte.

Diese Prüfung sollte insbesondere unter Abwägung ökonomischer Gesichtspunkte erfolgen und die Auswirkungen auf den Wettbewerb innerhalb der Union beinhalten. Damit hätte sich die EU in die nationalen Regelungen für Freie Berufe einmischen können.

Nach schwierigen Verhandlungen konnte zuletzt beim Wettbewerbsfähigkeitsrat ein Kompromiss erzielt werden. Er freue sich, dass ein Ergebnis erreicht wurde, „bei dem unsere bewährten Strukturen nicht in Frage gestellt werden“, teilte Matthias Machnig, Staatssekretär im BMWi, mit. Die Kompetenz der Mitgliedstaaten für die Berufsregulierung bleibe auch in Zukunft gewahrt und werde nicht ausgehöhlt: „Eine sogenannte Ex-ante-Genehmigungspflicht durch die Europäische Kommission wird es nicht geben.“

Der Kompromiss sieht vor, dass neue oder geänderte Berufsregulierungen der Mitgliedstaaten vor ihrem Erlass anhand festgelegter Kriterien auf EU-Ebene überprüft, aber nicht mehr genehmigt werden müssen. Die Zuständigkeit für die Berufsregulierung und der entsprechende Beurteilungsspielraum, der aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) komme, verbleibe bei den Mitgliedstaaten, so Machnig: „Damit ist klar, dass sich die Mitgliedstaaten weiterhin für ein hohes Niveau im Gesundheits- und Verbraucherschutz bei der Berufsregulierung entscheiden können.“

Auch zur Richtlinie über ein Notifizierungsverfahren wurde eine sogenannte Allgemeine Ausrichtung beschlossen. Dabei geht es darum, dass Anforderungen an die Ausübung von Dienstleistungsberufen bei der EU-Kommission gemeldet werden. Das diene der Transparenz und dem Schutz vor unsachlichen Regelungen. Dies unterstützt das BMWi.

„Eine Ex-ante-Genehmigungspflicht der Kommission fand keine Mehrheit unter den Mitgliedstaaten“, so Machnig. Die Kommission werde aber für eine Vielzahl von Sachverhalten im Dienstleistungsbereich die Möglichkeit erhalten, „Empfehlungen“ auszusprechen, deren Nichteinhaltung die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren zur Folge haben könne.

Endgültig verabschiedet werden soll die neue EU-Richtlinie im November. Der Bundesverband der Freien Berufe (BFB) traut dem jetzt geschlossenen Kompromiss offensichtlich noch nicht. Er legte jetzt eine in seinem Auftrag erstellte Studie vor. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass die Regulierungen für Freie Berufe sinnvoll sind.

Die Freien Berufe in Deutschland seien „Dienstleister mit Besonderheiten“, heißt es darin. Marktzutrittsregeln auf freiberuflichen Märkten führten zu besserer Markteffizienz und zu Wohlfahrtsverbesserung und sicherten die Qualität. In „Vertrauensgütermärkten“ wie den Freien Berufen gelte dies auch für die Preisregulierung. „Forderungen nach Deregulierung in den Freien Berufen lassen sich also nicht mit positiven Erfahrungen in anderen Bereichen der Wirtschaft, die keine Vertrauensgütermärkte sind, begründen“, so das Gutachten von Professor Dr. Justus Haucap, der als Chef der Monopolkommission vor einigen Jahren noch ganz andere Töne angeschlagen hatte.

Die Forderungen nach Deregulierung ließen sich sich zudem nicht dadurch begründen, dass die „Produktivität“ der Freien Berufe hinter der Entwicklung in anderen Bereichen zurückbleibe. Denn der gebräuchliche Produktivitätsbegriff ist nicht für freiberufliche Dienstleistungen konzipiert. Dies verhindere den objektiven Vergleich zwischen der Produktivitätsentwicklung von Gütern und Dienstleistungen.