Apothekerkammer Berlin

Absolute Mehrheit für Belgardt Julia Pradel, 12.03.2015 11:01 Uhr

Berlin - 

Die Berliner Apotheker haben ihre Delegiertenversammlung gewählt. Großer Gewinner ist die Liste des derzeitigen Kammerpräsidenten Dr. Christian Belgardt. Die Gruppe „Offizin-Apotheke“ erhält 23 der insgesamt 45 Sitze und hat damit die absolute Mehrheit – obwohl sie „nur“ 46,4 Prozent der Stimmen erhielt. Dahinter steckt der Wahlerfolg einer neuen Liste, die mit nur einem Vertreter nicht auf ihr Ergebnis von 11,6 Prozent vorbereitet war und sich explizit als Gegengewicht zur öffentlichen Apotheke positioniert hatte.

Bislang gibt es drei Fraktionen in der Delegiertenversammlung. Die „Liste Aktive Apotheker/innen“ von Annette Dunin von Przychowski koaliert mit Belgardts Offizin-Liste. Die „Liste Allianz aller Apotheker“ (AAA) von Dr. Kerstin Kemmritz ist derzeit in der Opposition – war in der Vergangenheit aber auch schon im Vorstand vertreten.

Neben diesen drei Listen war erstmals die Liste „Apotheker/-innen aus Wissenschaft, Industrie und Verwaltung“ angetreten – vertreten durch Dr. Björn Wagner. Der Apotheker ist bei Pfizer tätig und will sich dafür einsetzen, dass auch die Interessen von Pharmazeuten außerhalb der öffentlichen Apotheke gehört werden. Wagner kritisierte in seiner Wahlwerbung, dass das Berufsbild in zunehmenden Maße auf das publikumsnahe Beschäftigungsfeld der öffentlichen Apotheke beschränkt werde.

„Der Apothekerberuf ist jedoch so vielschichtig wie kaum ein anderer naturwissenschaftlicher Beruf“, findet der Pharmazeut. Aus seiner Sicht tut die Standesvertretung derzeit zu wenig für Apotheker außerhalb der Apotheke, etwa in der Diskussion um die Rentenversicherung oder ein zukunftsfestes Berufsbild. Selbst Änderungen der Ausbildung würden nicht mehr ausgeschlossen erscheinen. Wagner findet aber: „Das Studium muss die Vielfältigkeit unseres Berufs widerspiegeln um junge Menschen für die Pharmazie zu begeistern und somit auch dem drohenden Fachkräftemangel begegnen zu können.“

Damit traf er offenbar einen Nerv: Aus dem Stand bekam er 213 Stimmen, das entspricht 11,6 Prozent und und fünf Sitzen. Damit hatte Wagner nicht gerechnet. „Mir war nicht bewusst, dass es solch einen Bedarf gibt.“ Wagner engagiert sich seit einigen Jahren in der Fachgruppe Apotheker in Wissenschaft, Industrie und Verwaltung (WIV-Apotheker). Er studierte Pharmazie in Kiel und Heidelberg, promovierte in Marburg. Seit 2007 ist er bei Pfizer angestellt, absolvierte zunächst ein Trainingsprogramm in einem Herstellungswerk und ist seit 2012 als Manager im Bereich Marktzugang tätig.

Da Wagners Liste aber nur aus ihm besteht, erhält sie auch nur einen Sitz. Die übrigen vier Sitze wurden an die anderen Listen verteilt. Bis zur nächsten Wahl in vier Jahren will Wagner nun weitere Unterstützer gewinnen, die sich ebenfalls aufstellen lassen. Für die kommende Legislaturperiode geht jeweils ein Sitz an die AAA und die „Aktiven Apotheker/innen“.

Kemmritz' Liste kam somit auf 15 Sitze bei einem Stimmenanteil von 30,3 Prozent, und die Liste von Dunin von Przychowski sechs Sitze bei einem Wahlergebnis von 11,7 Prozent. Belgardts Offizin-Liste verhalfen die zwei zusätzlichen Sitze zur absoluten Mehrheit. Der Kammervorstand wird in der konstituierenden Sitzung der Delegiertenversammlung Mitte Mai gewählt.

Die Offizin-Liste war – genau wie Kemmritz' Liste AAA – 1999 aus der Gemeinschaftsliste des damaligen Kammerpräsidenten Klaus Stürzbecher hervorgegangen. Nachdem Stürzbecher eine Trennung von Kammer und Apothekerverein vorangetrieben hatte, teilten sich die Mitglieder seiner Liste auf – in die Offizin-Liste, in der vor allem Mitglieder des Berliner Apothekervereins organisiert sind, und die AAA.

In Berlin kommen auf 740 Apothekenleiter rund 2660 angestellte Apotheker, mehr als dreieinhalbmal soviele wie Leiter. Im Bundesdurchschnitt gibt es weniger als dreimal soviele Angestellte wie Apothekenleiter.

Auch die Liste „Aktive Apotheker/innen“ hat ihren Fokus auf der Offizin. Sie hatte damit geworben, von allen vier Listen die meisten Mitarbeiter aus öffentlichen Apotheken zu haben, außerdem Kollegen von der Bundeswehr, einer Krankenkasse und der Industrie. Die AAA fordert, die Standesvertretung noch mehr für andere Berufsfelder zu öffnen – konnte damit aber offensichtlich weniger punkten als Wagner. Kemmritz hatte im Vorfeld kritisiert, dass die zur Wahl antretenden Listen erst dann veröffentlicht würden, wenn sie geschlossen seien.

Bei der vergangenen Wahl erreichte Belgardts Liste ebenfalls 46,4 Prozent der Stimmen und 21 Sitze und die „Aktiven Apoteker/innen“ 21 Prozent und neun Sitze. Die beiden Gruppen hatten sich zusammengetan und die Vertreter für den siebenköpfigen Vorstand gestellt. Als „Opposition“ war die AAA mit 15 Apothekern in der Delegiertenversammlung vertreten.

Von den 4906 wahlberechtigten Kammermitgliedern haben 1876 gewählt. Davon waren 42 Stimmen ungültig. Die Wahlbeteiligung lag bei 38,2 Prozent und damit leicht über der vom Vorjahr von 37 Prozent.