Bayern

Beispiel Geiselhöring: SPD sorgt sich um Apotheker Lothar Klein, 25.06.2018 12:24 Uhr

Berlin - 

Geiselhöring ist eine kleine Gemeinde in Niederbayern südlich von Regensburg. 7000 Einwohner leben hier. Im April verließ ein Hausarzt die Gemeinde. Ende Juni schließt eine von drei Apotheken. Und eine zweite Apotheke sucht seit neun Jahren vergeblich einen Nachfolger. Geiselhöring steht damit exemplarisch für die Probleme der medizinischen Versorgung auf dem Land. Bei der Veranstaltung „SPD in Dialog“ diskutierte die Straubinger Apothekerin Birgit Hlawa-Geiger mit den Bürgern über die Ursachen und Lösungen.

Vor zwei Monaten hatte die SPD bereits zum Thema „Mein Hausarzt ist weg, was nun?“ geladen, jetzt lautete der Titel der Einladung „Wie viel Apotheke braucht der Mensch?“ Die stellvertretende SPD-Ortsvorsitzende Barbara Kasberger fasste die Lage in Geiselhöring so zusammen: „Zuerst schließt eine Arztpraxis, wenig später eine Apotheke. Ein gewisser Abwärtstrend ist unverkennbar.“ Nachdem sich erst vor Kurzem 1400 Kassenpatienten einen neuen Hausarzt suchen mussten und dies nicht immer am Ort gelang, seien es nun rund 2000 Menschen, die sich neu orientieren müssten, wenn sie Medikamente oder Rat und Beratung eines Apothekers brauchten.

„Am 1. Juli schließt die Marien-Apotheke von Karl-Heinz Tins für immer“, erklärte SPD-Schriftführer Rainer Pasta. Wie sich im Gespräch herausstellte, hat die für Ende Juni angekündigte Schließung auch mit der Aufgabe der Arztpraxis Dr. Roderer zu tun: Denn die Räume der Apotheke sind renovierungsbedürftig und der Umsatz der Apotheke liegt am unteren Rand der Existenzfähigkeit. Mit der Praxisschließung sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht besser geworden.

Thomas Hasenpusch, Inhaber der St. Leonhard-Apotheke, versicherte laut Mitteilung der örtlichen SPD, dass die betroffenen Kunden keine Sorge haben müssten, dass ihre Versorgung mit Medikamenten und die Aufrechterhaltung des Notdienstes nicht gefährdet seien. „Zwei Apotheken können eine Stadt wie Geiselhöring gut versorgen“, so Hasenpusch, der sich nun auch die Versorgung des Seniorenheims mit Ralf Stierstorfer teilt.

Anders als bei den Ärzten ist ein Apothekersitz nicht reglementiert und somit den „freien Kräften des Marktes“ unterworfen, erfuhren die Zuhörer. „In Deutschland kommen durchschnittlich etwa 4000 Einwohner auf eine Apotheke“, so Hlawa-Geiger. Noch klingt das beruhigend, doch die Aussage von Hasenpusch, dass er als 74-jähriger eigentlich bereits seit neun Jahren in Rente sei und ebenfalls keinen Nachfolger finde, rückt die Situation in Geiselhöring vor Ort in ein anderes Licht. Die Option, dass es in Geiselhöring in Zukunft nur noch eine Apotheke gibt, ist durchaus greifbar. Pasta: „Dann wird es schwierig. Dann ist die Wahlfreiheit der Einwohner weg.“

Diskutiert wurde die Frage, warum es nicht möglich ist, einen Arzt und nun auch einen Apotheker nach Geiselhöring zu bekommen? Ähnlich wie der Hausarztmangel – nicht nur in Geiselhöring – sei auch das Apothekensterben systembedingt, bestätigte Hlawa-Geiger. Neben dem demographischen Aspekt sei die fehlende Bereitschaft junger Apotheker wesentlich, das Risiko einer Selbstständigkeit und der damit verbundenen Investitionen zu tragen, wenn das wirtschaftliche Überleben nicht klar gesichert sei.

Die direkte Nähe zu einem Allgemeinarzt sei eine unabdingbare Voraussetzung für die wirtschaftlich sinnvolle Ansiedlung, so die Erfahrung der Straubinger Apothekerin. In Geiselhöring räche sich nun einmal mehr, dass seit Jahrzehnten versäumt wurde, die nötigen Voraussetzungen für eine ausreichende Arztansiedlung zu schaffen. Es habe nie einen ernst gemeinten Lösungsansatz gegeben, bestätigte SPD-Mitglied Franz Bayer. Ein Ärztezentrum oder ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit fachübergreifender Arztversorgung wäre für jeden Apotheker ein hervorragender Grund, sich in Geiselhöring niederzulassen, so Hlawa-Geiger.

Wie die Ärzte vermissen auch die Geiselhöringer Apotheker den regelmäßigen Austausch mit den „Stadtoberen“. Die SPD wiederholt ihre Forderung zur Einrichtung eines „Runden Tisches“ für das Gesundheitswesen, der mindestens zweimal im Jahr tagt. Kritik äußert die SPD aber auch an der Standesvertretung der Apotheker. Pasta, Mitarbeiter der SPD-Landtagsabgeordneten Ruth Müller, Mitglied im bayerischen Gesundheitsausschuss: „Von den Ärzten und anderen Heilberuflern werden wir mit Lobbyarbeit überschüttet. Von den Apothekern hören wir so gut wie nichts.“

Der Wandel im Berufsbild des Apothekers nahm ebenfalls einen großen Raum im Dialog mit der SPD ein. Hlawa-Geiger bestätigte den Trend zum Kauf von Medikamenten bei europaweit agierenden Versandapotheken, die aufgrund eines EuGH-Urteils mitsamt Boni und Rabatten verkaufen dürften. Den ansässigen Apotheken sei dies aufgrund der Preisbindung verboten. Dagegenhalten könnten Apotheken vor Ort nur mit ihren Beratungs- und Serviceleistungen, die viele Kunden doch gerne in Anspruch nähmen.

Auch bei der Notfallversorgung hielten sich die Internetanbieter selbstverständlich vornehm zurück, kritisierte die Vertreterin der Apotheken. Ein baldiges Umschwenken der Politik zur Sicherung der Apothekenversorgung vor Ort sei daher dringend nötig. „Wir wollen die Gleichpreisigkeit als tragende Säule für unser Gesundheitssystem erhalten. Das schützt auch die Patienten vor überhöhten Preisen.“ Ein vor allem von der SPD in Bayern favorisiertes Präventionsgesetz würde den Apothekern ein neues Betätigungsfeld eröffnen, so Pasta. Dem stimmten auch die Apotheker zu, denn gerade sie seien erster und kompetenter Ansprechpartner bei Gesundheitsproblemen oder Vorsorgemaßnahmen im Vorfeld einer Erkrankung oder bei Impfungen. Natürlich müssten die Krankenkassen diese zusätzliche Beratungstätigkeit auch entsprechend honorieren. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Ärzten „auf Augenhöhe“ sei dafür nötig, so Hlawa-Geiger.