Apotheke spielt nur Nebenrolle

Bayern: Naloxon als Lebensretter Alexandra Negt, 09.09.2021 14:49 Uhr

Naloxon als Take-Home-Verordnung kann Leben retten. In Bayern soll das Antidot Teil der Drogenarbeit bleiben. Foto: New2me86/Shutterstock.com
Berlin - 

Rund ein Drittel der Opiod-Abhängigen in Deutschland sterben an einer Überdosis. Wird dieser lebensbedrohliche Zustand rechtzeitig mit dem Antidot Naloxon behandelt, kann ein Tod verhindert werden. Bayern schaut auf das erfolgreiche Projekt „Take-Home-Naloxon“ zurück. Die Apotheken sind nur indirekt beteiligt.

Menschen, die von illegalen Suchtmitteln abhängig sind, brauchen Angebote, die sie in ihren verschiedenen Lebenslagen gezielt erreichen und unterstützen. Die Take-Home-Verordnung von Naloxon konnte sich in diesem Bereich in den vergangenen Jahren behaupten: Innerhalb eines Modellprojektes in Bayern wurde die Anwendung von nasalem Naloxon geschult, sodass die Teilnehmer:innen den oder die Betroffene im Rahmen einer Überdosierung schnellstmöglich unterstützen und erste Hilfe leisten können.

Denn Schätzungen zufolge sind bei Überdosierungen in zwei von drei Fällen andere Personen anwesend, die helfen könnten und auch helfen wollen. Bei einer Opiod-Überdosierung ist schnelles Handeln erforderlich. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Anwesenden ohne große Schwierigkeiten helfen können. Die Maßnahmen müssen einfach und leicht verständlich vermittelt werden.

Schulungen in diesem Bereich würden sich von anderen Schulungen unterscheiden, erklärt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig, beim Abschlussbericht des Modellprojektes. Es komme vor allem auf den Trainer an, denn Drogenarbeit sei vor allem „Beziehungssarbeit“. Die Schulungen in externe Hände zu legen, sei kein sinnvolles Vorgehen. Kaum ein Drogenabhängiger würde die Apotheke termingerecht für eine Schulung aufsuchen – Spontanschulungen gehörten für die Betroffenen außerhalb von Substitutionsprogrammen zum Alltag.

Dennoch – eine indirekte Rolle spielt die Offizin schon, wie eine Sprecherin des Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege mitteilt: „Ziel ist es, das Medikament den Opioidabhängigen möglichst direkt am Ende der Schulung im sogenannten „Notfallkit“ auszuhändigen. Dies bedeutet wiederum, dass das Medikament während der laufenden Schulung in einer nahegelegenen Apotheke beschafft werden muss.“

Um dies zu gewährleisten, ist normalerweise ein mit einer Drogenhilfeeinrichtung kooperierende/r Arzt/Ärztin vor oder während der Notfallschulung vor Ort und erhebt die notwendigen Informationen für jeden teilnehmenden Opioidabhängigen - insbesondere im Hinblick auf die korrekte Indikation. Er stellt dann dem Opioidabhängigen ein Rezept über das Nyxoid aus und übergibt es dem Teilnehmenden.

Die Mitarbeiter:innen der Drogenhilfeeinrichtung klären die Teilnehmer:innen über die freie Apothekenwahl auf und bieten den Schulungsteilnehmer:innen an, dass ein/e Mitarbeiter:in während der laufenden Schulung in einer dem Schulungsort nahegelegenen Apotheke die Rezepte einlöst, um die notwendige Zahl von Nasensprays zu holen und in das Notfall-Kit zu packen. „In der Regel wurde dieses Angebot des Apothekenganges durch eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter von den Schulungsteilnehmern angenommen“, so die Ministeriumssprecherin. Bei dem Präparat handelt es sich um das Nasenspray Nyxoid (Mundipharma) – das derzeit einzige in Deutschland zugelassene Naloxon-Nasenspray.

„Auch wenn die Apotheken nicht unmittelbar am Projekt teilgenommen haben, ist es für die Zukunft sehr wichtig, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Suchtberatungsstellen verordnetes Naloxon kurzfristig in Apotheken erhalten können. Nur so kann der Erfolg von Schulungen sichergestellt werden“, betont die Sprecherin.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek betont bei der Vorstellung des Abschlussberichtes, wie wichtig eine Fortsetzung des Projektes und eine Intensivierung der Drogenarbeit sei: „Das Thema dürfen wir nie aus den Augen verlieren. Wir dürfen uns darüber hinaus nie mit einem Status zufriedengeben.“ In 93 Fällen konnten schwerstkranke Drogenabhängige durch den Einsatz von Naloxon gerettet werden. „Wir brauchen spezialisierte Angebote“, appelliert Holetschek, nur so könne man die Betroffenen erreichen. „Wir müssen auch weiterhin einen Dreiklang aus Prävention, Suchthilfe und konsequenter Repression verfolgen.“

„Vor dem Projekt wurde Naloxon nur von Ärztinnen und Ärzten verabreicht“, fügte der Gesundheitsminister hinzu. „Schätzungen zufolge sind aber bei einer Überdosierung in zwei von drei Fällen andere Menschen anwesend, die helfen könnten. Durch das Notfallkit und die Notfallschulungen sind die Teilnehmer für den Ernstfall gewappnet.“