„Sitzen an allen wichtigen Schaltstellen“

Baehrens (SPD): Ärzte haben zu viel Einfluss Alexander Müller, 13.10.2022 15:12 Uhr

Gesundheitspolitische Diskussionsrunde beim GKV-Spitzenverband am 11.10.2022. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Die Ärzteschaft hat nach Ansicht von Heike Baehrens, gesundheitspolitischer Sprecherin der SPD, einen zu großen Einfluss auf die politischen Entscheidungen. Das müsse sich ändern.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete kritisierte bei einer Diskussionsrunde des GKV-Spitzenverbands, dass die Ärzte mit ihren zahlreichen Positionen in entscheidenden Gremien die Dinge oft zu ihrem Vorteil beeinflussten. „Die Ärzte sind ein Teil des Problems in unserem Gesundheitswesen.“ Aus ihrer Sicht müssten die anderen Leistungserbringern die Möglichkeit bekommen, im Gesundheitssystem mitzuwirken. Als Beispiel nannte sie den Pflegerat.

„Erstaunlich und hochproblematisch“ findet Baehrens, dass die Ärzte gegen die Abschaffung der Neupatientenregelung mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) protestieren. Es werde eine extrabudgetäre Leistung gekürzt, deren Erbringung in einer Arztpraxis eigentlich selbstverständlich sein sollte – die Aufnahme neuer Patient:innen, so Baehrens.

Zuvor hatte schon Uwe Klemens, Verwaltungsratsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, über den Streik der Vertragsärzt:innen in München gelästert. „Da wird mit der Begründung, dass die Kassen eine Nullrunde wollen, Stimmung gemacht. Fakt ist, 1,4 Milliarden Euro Erhöhung sind schon vereinbart.“

Die Lobbyarbeit der Ärzteschaft war aber eher ein Randthema der Diskussionsrunde mit den gesundheitspolitischen Sprecher:innen von Union, SPD, FDP und Grünen. Vorrangig ging es um die anderen geplanten Maßnahmen des GKV-FinStG. Dr. Doris Pfeiffer, Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, kritisierte die geplanten Sparmaßnahmen der Regierung als „einmalig und kurzfristig wirkend“.

„Geld ausgegeben, das der Politik überhaupt nicht gehört“

Und Verwaltungsratschef Klemens kritisierte, dass mehr als 11 Milliarden bei den Beitragszahlern eingesammelt werde, bei den Arbeitnehmern und Arbeitgebern. „Es wird Geld ausgegeben, das der Politik überhaupt nicht gehört“, so Klemens. Der Bundeszuschuss seien keine Almosen, sondern Geld für die Finanzierung staatlicher Aufgaben. Als Beispiel wurden wiederholt die zu geringen Zuschüsse des Bundes für die Versorgung von ALG-II-Empfänger:innen genannt.

Dr. Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen) verteidigte das geplante Spargesetz. Es sei gerade kein Flickwerk, aber ein Ausgleich für das bestehende Defizit, das den Versicherten und Leistungserbringern gleichermaßen wehtue. Der große Wurf der Koaltion soll dann im nächsten Jahr folgen. „Strukturelle Reformen brauchen Zeit.“ Das GKV-FinStG stabilisiere den kurzfristigen Zeitraum und nehme alle mit in die Verantwortung.

Tino Sorge (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Union, will sich nicht ewig vorhalten lassen, der ehemalige Bundesgesundheitsministern Jens Spahn habe die Lage der GKV verursacht. „Regieren hat nichts mit Jammern zu tun, das tut Karl Lauterbach mit jedem zweiten Halbsatz.“ Viele Gesetzesvorhaben seien gesellschaftlicher Konsens gewesen, beispielsweise im Pflegebereich. Und das Defizit aus der Versorgung der ALG-II-Empfängerinnen auszugleichen, habe der heutige Kanzler Olaf Scholz seinerzeit als Finanzminister blockiert. Es sei eine „Bankrotterklärung Lauterbachs“, dass er sich die fehlenden zehn Milliarden Euro nicht bei Finanzminister Christian Lindner (FDP) einhole.

Als „Taschenspielertricks“ bezeichnete Andrew Ullmann (FDP) diese Vorwürfe. Er verwies auf den Bundeszuschuss. Am Ende sei es egal, woher das Geld letztlich komme. Ullmann sieht allerdings Fehlanreizsystem bei den Abrechnungssystemen, Stichwort Morbi-RSA. „Das System funktioniert nicht so auf Dauer.“ Auch er machte keine Angaben dazu, was an großen Reformen angegangen werden soll. Das soll erst nächstes Jahr passieren. Was die Ärzte in der Politik betrifft, sagte Ullmann, das ihn eingeschlossen 13 Mediziner:innen in den Ampel-Fraktionen säßen, zwei weitere in der Union. Warum? „Weil wir mit dem Gesundheitssystem nicht zufrieden sind.“ Das sollten andere Gesundheitsberufe aus seiner Sicht auch machen.