Kommentar

Apotheker gewinnen Verbündete Alexander Müller, 14.05.2008 19:38 Uhr

Berlin - 

Europa entdeckt sein Herz für den Mittelstand: Galt bisher der gemeinsame Binnenmarkt in Brüssel und Straßburg fast soviel wie die Grundrechte, erkennen immer mehr Politiker die Gefahren eines bedingungslosen Wettbewerbs: große Konzerne, die erst den Markt unter sich aufteilen und dann den Preiskampf einstellen. Eine Resolution gegen den Marktmissbrauch der Supermarkt-Riesen haben die EU-Parlamentarier schon angenommen; aktuell läuft eine Initiative zum Schutz von kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Knapp 200 Mitglieder des Europäischen Parlaments wollten der EU-Kommission jetzt außerdem auf die Finger klopfen, weil sich diese bei der Arzneimittelversorgung zu sehr in Sachen einmischt, die sie nichts angeht - namentlich den Apothekenmarkt. Doch obwohl eine „Schriftliche Erklärung“ des Parlaments nicht genügend Unterzeichner fand - die Hälfte der 785 Abgeordneten hätte das Papier unterzeichnen müssen -, setzt sich ein Trend fort, der nicht nur Europas Apothekern Hoffnung machen sollte: Die EU wird sensibler für die Belange des Mittelstandes.

Das Parlament ist in diesem Prozess einen Schritt weiter als die Kommission, weil die Abgeordneten Kontakt zu den Bürgern haben. Bei der Kommission geben sich allenfalls Lobbyisten die Klinke in die Hand. Die „Apotheken-Initiative“ sollte der Kommission aufzeigen, dass die Vertragsverletzungsverfahren zur Liberalisierung des Apothekenmarktes als undemokratisch und anmaßend empfunden werden - immerhin hatte das Parlament längst den Mitgliedstaaten die Hoheit über ihre Apotheken zugestanden.

Dass immerhin fast 200 Abgeordnete ihren Namen unter die deutlichen Worte gesetzt haben, ist für sich schon ein Erfolg. Das Thema ist komplex und doch ziemlich speziell; naturgemäß ist es populärer, für eine umfassende Strategie gegen Krebs oder gegen Rassismus im Fußball Unterschriften zu sammeln als für den Schutz der Apotheker. Hinzu kommen die notorischen Verweigerer unter den Parlamentariern, die aus Prinzip nichts unterschreiben, wenn sie nicht vorab mitdiskutieren durften.

Das „Apotheken-Papier“ hatte noch ein anderes Problem: Die Wahlen in Italien. Statt in Brüssel und Straßburg Unterstützer zu werben, mussten die italienischen Initiatoren an die Wahlkampf-Front in ihrer Heimat. Doch man kann davon ausgehen, dass im Parlament bald weitere Papiere zum Schutz des Mittelstandes unterschrieben werden - die Apotheker dürfen also weiter hoffen.