Ärzte-Regresse

Schutzschirm für Berufseinsteiger APOTHEKE ADHOC, 03.12.2015 15:21 Uhr

Netz und doppelter Boden: Die Ärzte haben den Kassen mehr Nachsicht in Sachen Regress abgerungen. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Andere Leistungserbringer schaffen sich Kürzungen seitens der Kassen vom Hals – nur die Apotheker nicht. Die Heilmittelerbringer wurden mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) von „unberechtigten Regressforderungen bei Retaxationen“ befreit, wie von den Gesundheitsexperten von Union und SPD bereits im Koalitionsvertrag versprochen. Auch die Ärzte haben den Kassen mehr Nachsicht abgerungen.

Ärzte geraten in die Wirtschaftlichkeitsprüfung, wenn sie durch unplausible Abrechnungen oder besonders hohe Summen auffallen und sich diese nicht durch Praxisbesonderheiten rechtfertigen lassen. Die Details der sogenannten Richtgrößenprüfung werden auf Landesebene geregelt. Außerdem gibt es Zufallsstichproben: 2 Prozent aller Mediziner sollen pro Quartal kontrolliert werden.

Die Prüfstellen werden von den Kassen und Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) gemeinsam betrieben. Gegen die Entscheidung können die Mediziner einen Beschwerdeausschuss anrufen, die paritätisch besetzt ist und einen unparteiischen Vorsitzenden hat.

Weil die oft hohen Rückforderungen der Kassen regelrecht abschreckend wirkten, wurden seit 2011 mehrfach Erleichterung eingeführt. Zwei Jahre lang müssen Ärzte, die ihr Richtgrößenvolumen erstmalig um mehr als 25 Prozent überschreiten, seitdem maximal 25.000 Euro bezahlen.

2012 wurde das Prinzip „Beratung vor Regress“ eingeführt: Wer erstmals die Grenze überschreitet, bekommt eine individuelle Nachhilfe. Erst im folgenden Prüfzeitraum ist das System scharf geschaltet. Allerdings legte das Bundessozialgericht (BSG) vor einem Jahr die Vorgabe streng aus: Nur einmal in seinem Berufsleben kann der Arzt demnach die erstmalige Überschreitung geltend machen.

Mit dem GKV-VSG hatten Ärzte und Kassen den Auftrag erhalten, die Wirtschaftlichkeitsprüfungen abermals neu zu strukturieren. In den Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband konnte die KBV jetzt durchsetzen, dass Regresse nach fünf Jahren „verjähren“ – dass der Schutzschirm nach Ablauf dieser Frist also erneut aufgespannt werden kann. KBV-Vorstand Regina Feldmann spricht von einem „Paradigmenwechsel in der Wirtschaftlichkeitsprüfung“.

Zudem sollen maximal 5 Prozent der Ärzte einer Fachgruppe von Auffälligkeitsprüfungen betroffen sein. Neu zugelassene Vertragsärzte werden besonders entlastet: „Sie brauchen erst ab dem dritten Prüfzeitraum mit einer Beratung als Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu rechnen“, erläuterte Feldmann. „Damit bekommen sie mehr Zeit, sich mit den Regeln für ein wirtschaftliches Verordnungsverhalten im vertragsärztlichen Bereich vertraut zu machen.“

KVen und Kassenverbände werden auf regionaler Ebene geeignete Vereinbarungen zur Prüfung ärztlich verordneter Leistungen treffen. Dabei sind sie in der Wahl der Prüfungsart und -methode grundsätzlich frei. Dies gilt auch für den Prüfgegenstand. Statt Richtgrößen sind Wirtschaftlichkeits- und Versorgungsziele zum Beispiel auf Basis des Medikationskataloges der KBV denkbar. Es besteht auch die Möglichkeit, Ärzte mit geringem Verordnungsumfang gänzlich von der Prüfung auszunehmen und Geringfügigkeitsgrenzen zu vereinbaren.