Eckpunktepapier

50 Cent: Apotheken erhalten Engpass-Bonus Patrick Hollstein, 20.12.2022 09:16 Uhr

Das Management von Engpässen wird künftig mit 50 Cent honoriert. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sein Eckpunktepapier gegen Lieferengpässe vorgelegt. Eine Maßnahme: Apotheken erhalten für den Mehraufwand eine zusätzliche Vergütung von 50 Cent. Bei den weiteren Maßnahmen nimmt der Beirat zu Liefer- und Versorgungsengpässen am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine zentrale Rolle ein.

Bei Anruf: Zuschlag

„Für Arzneimittel, für die der Beirat eine versorgungskritische Lage festgestellt hat und für die die Apotheke eine Rücksprache mit der Ärztin oder dem Arzt halten muss, wird den Apotheken eine Aufwandspauschale in Form eines in der AMPreisV verankerten Zuschlags in Höhe von 0,50 Euro vergütet“, heißt es in den Eckpunkten.

Gelockerte Abgaberegelungen

Und: „Für Arzneimittel, bei denen der Beirat eine kritische Versorgungslage festgestellt hat, werden die vereinfachten Austauschregelungen nach § 1 Absatz 3 der Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung verstetigt.“

Keine Zuzahlung bei Stückeln und Auseinzeln

Müssen Medikamente aufgrund von Liefer- oder Versorgungsengpässen ausgeeinzelt werden, soll den Patientinnen und Patienten die Zuzahlung erlassen werden. „Des Weiteren soll die Zuzahlung bei Abgabe von Einzelpackungen bei nicht lieferbaren verordneten größeren Packungen auf die Zuzahlung des verordneten Arzneimittels begrenzt werden.“

Zweitanbieter bei Rabattverträgen

Die Krankenkassen werden verpflichtet, bei ihren Rabattverträgen ein zusätzliches Los auszuschreiben, bei dem ergänzend zum Preis das Kriterium „Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU“ berücksichtigt wird. „Diese Regelung bezieht sich zunächst auf Arzneimittel zur Behandlung onkologischer Erkrankungen und auf Antibiotika.“ Der Beirat soll aber bei Bedarf weitere Wirkstoffe und Indikationen empfehlen können, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) dann der neuen Regelung unterstellen kann.

„Zur Verbesserung der Versorgungssicherheit wird zudem für rabattierte Arzneimittel vertraglich eine mehrmonatige, versorgungsnahe Lagerhaltung vorgesehen“, heißt es weiter.

Lockerung bei Festbeträgen

Wohin das System der Festbeträge führt, kann man gerade bei den Fiebersäften und Antibiotika sehen: Gibt es keinen ausreichenden Wettbewerb mehr, erhöhren die Hersteller schlussendlich ihre Preise und die Patiet:innen müssen aufzahlen. Daher soll der Beirat Festbetragsgruppen mit nur noch wenigen Anbietern im Blick behalten und bei einem sich abzeichnenden Versorgungsengpass „die Empfehlung aussprechen, den auf Festbetrag auf das 1,5-Fache anzuheben oder die Festbetragsgruppe aufzulösen“.

In diesem Fall darf der Abgabepreis einmalig auf das 1,5-Fache des Festbetragspreises angehoben werden und gilt dann als neuer Basispreis, für den die Regelungen des Preismoratoriums Anwendung finden.

Außerdem wird die Grenze der Zuzahlungsbefreiung bei Festbeträgen angehoben. „Abgabepreise, die mindestens 20 Prozent niedriger sind als der Festbetrag, können von der Zuzahlung befreit werden. So wird dem Effekt eines zu starken Absinkens von Festbeträgen mit der eventuellen Folge von Marktaustritten vorgebeugt.“

Rabattsperre für Kinderarzneimittel

Unter Berücksichtigung der Zulassung, des Anwendungsgebietes, der Darreichungsform und der Dosierung erstellt der Beirat eine Liste von Arzneimitteln, die für die Sicherstellung der Versorgung von Kindern erforderlich sind. „Für diese Arzneimittel dürfen zukünftig keine Rabattverträge abgeschlos-sen und keine Eingruppierungen in Festbetragsgruppen vorgenommen werden.“

Bestehende Festbeträge werden aufgehoben. Das Preismoratorium wird für diese Arzneimittel angepasst, als neue Preisobergrenze wird das 1,5-Fache eines aktuell bestehenden Festbetrags oder des Preises nach Preismoratoriums festgelegt. Mehrkosten sollen von den Kassen für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr bis zu dieser Grenze übernommen werden.

Versorgungssicherheit stärken

Die Zahl der Lieferengpässe sei in den letzten Jahren deutlich angestiegen, räumt das BMG ein. Insbesondere Generika seien betroffen, als Beispiele werden Krebsmedikamente wie Tamoxifen und Folinate sowie Antibiotika und Arzneimittel zur Fiebersenkung bei Kindern genannt.

Zwar führe nicht jeder Lieferengpass zu einer Einschränkung der medizinischen Versorgung, da häufig geeignete Alternativen zur Verfügung stünden. „Gleichwohl gilt es, Lieferengpässe früh zu erkennen und gegen zu steuern. Denn generische Arzneimittel haben aufgrund der sehr hohen Verordnungszahlen eine entscheidende Bedeutung für die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Gleichzeitig haben sie nur einen im Vergleich zu patentierten Arzneimitteln geringeren Anteil an den Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen.“

„Wir wollen Versorgungsengpässe entschieden bekämpfen und Maßnahmen ergreifen, um Lieferketten und Versorgungssicherheit zu stärken“, heißt es zur Begründung. Hierfür seien strukturelle Maßnahmen im Generikabereich erforderlich, insbesondere Maßnahmen zur Diversifizierung der Lieferketten, zur Einführung von Standortkriterien bei der Versorgung und zur frühzeitigen Erkennung und Vermeidung von Versorgungsengpässen. Um die Auswirkungen auf die Versorgung beurteilen zu können, sollen alle Maßnahmen zum 31. Dezember 2025 evaluiert werden.

Gefährliche Abhängigkeit

Die Ursachen von Lieferengpässen seien vielfältig, so das BMG. „Die Globalisierung und starker Kostendruck bei der Generikaindustrie haben bei einer Vielzahl von Wirkstoffen und Arzneimitteln bereits zu einer Konzentration auf wenige Herstellungsstätten, überwiegend in Drittstaaten (insbesondere in China und Indien) geführt. Dies birgt das Risiko von Lieferkettenunterbrechungen und strategischen Abhängigkeiten in sich. Diese Konzentration kann zum Beispiel bei Qualitätsmängeln bei der Herstellung oder der Unterbrechung der Lieferketten zu Lieferengpässen führen. Weitere Gründe sind unerwartet steigende Nachfragen und Produktions- und Lieferverzögerungen für Vorprodukte.“