Video-Interview BfArM

„Wir müssen unseren Platz suchen“ APOTHEKE ADHOC, 11.10.2010 10:39 Uhr

Berlin - 



In der Öffentlichkeit wird derzeit heftig über die Bewertung von Arzneimitteln durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) diskutiert. Dabei geht es auch um die Frage, welches Gewicht die Zulassung eines Medikaments hat. Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gibt man sich selbstbewusst - obwohl man derzeit ganz andere Sorgen hat. BfArM-Präsident Professor Dr. Johannes Löwer sprach mit APOTHEKE ADHOC über die Konkurrenz zum G-BA, die Auslastung des BfArM, die Novellierung der Packungsgrößenverordnung und die Zukunft der Arzneimittelzulassung.



ADHOC: Steht das BfArM in Konkurrenz zu G-BA und IQWiG?

LÖWER: Das BfArM wird zurzeit viel zu wenig als die Behörde wahrgenommen, die sich für die Verfügbarkeit und auch für die Sicherheit von Arzneimitteln einsetzt. Wir sehen es einerseits als unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass innovative Arzneimittel den Marktzugang bekommen, damit Krankheiten besser behandelt werden können. Andererseits sehen wir auch unsere Aufgabe darin, dafür zu sorgen, dass diese Arzneimittel so sicher wie möglich sind. Allerdings muss man feststellen, dass immer mehr der Eindruck entsteht, dass Institutionen, die die so genannten Health Technology Assessments - also die gesamte ökonomische Bewertung von möglichen Behandlungen - durchführen, mehr für den Patienten da sind als die Zulassungsbehörden.



ADHOC: Wie ausgelastet ist das BfArM?

LÖWER: Das BfArM ist gut ausgelastet. Wäre es eine mittelständische Firma, wäre diese wahrscheinlich unglücklich - wir haben Arbeit für zwei Jahre auf Halde liegen. Es ist in der Tat ein Problem, das personell zu bewältigen. Wir erleben zurzeit, dass es ganz schwierig ist, Fachleute, insbesondere Mediziner, auf dem Arbeitsmarkt zu finden.



ADHOC: Was bedeuten die Rabattverträge für das BfArM?

LÖWER: Wir haben vor ein, zwei Jahren festgestellt, dass die Anzahl der Anträge auf Zulassung von Generika enorm gestiegen ist. Bei einer Substanz zum Beispiel, die vor kurzem aus dem Unterlagenschutz befreit wurde, gab es mit einem Schlag 60 Anträge. Wir haben uns gefragt, wo das herkommt. Die genaue Antwort wissen wir nicht, aber eine Möglichkeit besteht darin, dass die Hersteller ihr Portfolio ergänzen wollten, um dann in Rabattverträgen oder in Verhandlungen zu Rabattverträgen konkurrenzfähig zu sein. Diese Verträge scheinen also eine gewisse Rückwirkung auf die Arbeit des Instituts in dem Sinne zu haben, dass wir vermehrt Generikazulassungen bearbeiten müssen.



 



ADHOC: Wie sinnvoll wären neue Packungsgrößen?

LÖWER: Auf den ersten Blick, und das muss ich sehr zurückhaltend sagen, scheint das Sinn zu machen. Das Problem ist, dass in Europa packungsbezogene Zulassungen existieren: Zum Beispiel werden bei der Europäischen Arzneimittelagentur packungsbezogene Zulassungen gemacht. Es wird sich also auf europäischer Ebene teilweise als schwierig erweisen, diese Packungsgrößenänderungen durchzuführen.



ADHOC: Wieviel Aufwand hätte das BfArM?

LÖWER: Wir haben versucht zu kalkulieren, was an Arbeit auf das BfArM zukommt, und rechnen im Moment mit etwa 20.000 Änderungsanzeigen, wenn diese Verordnung in Kraft tritt. Das kann man zum Teil elektronisch unterstützen; in dem Bereich, wo es „nur“ Verwaltungsaufwand ist, kann man das sicherlich erleichtern. Sobald aber Absprachen mit anderen Mitgliedsstaaten notwendig werden, um die Zulassungen anzupassen, wird das arbeitsaufwändig. Es wird sich zeigen, wie leicht das geht und wie gut auch die anderen Mitgliedsstaaten von der Änderung zu überzeugen sind.



ADHOC: Wie kann sich das BfArM in Europa positionieren?

LÖWER: Die Arzneimittelzulassung wird ja mehr und mehr europäisch. Eine der großen Herausforderungen für das BfArM ist, seinen Platz im europäischen Konzert der Zulassungsbehörden auszubauen und auch zu verbessern. Ziel müsste sein, dass das BfArM eine allzeit gesuchte Behörde ist für die Zulassung, aber auch für die Sicherheit der Patienten.



ADHOC: Was sind die globalen Herausforderungen?

LÖWER: Wir stellen immer mehr fest, dass Wirkstoffe oder Arzneimittel in Fernost, in Indien oder in China oder in anderen Ländern, produziert werden. Wir stellen auch fest, dass die Zulassungsbehörden dort nicht den Stand erreicht haben, den wir hier in Europa oder in den Vereinigten Staaten kennen. Deswegen gibt es dort eine Handlungsnotwendigkeit. Die WHO hat sich zum Ziel gemacht, die nationalen Behörden zu stärken, und ich glaube, nur das hilft weiter. Die Anzahl der Inspektionen in diesen Ländern kann nicht endlos vergrößert werden. Es muss vor Ort die Sicherheit gewährleistet werden.



ADHOC: Wohin entwickelt sich die Zulassung in Europa?

LÖWER: Es ist schwer vorauszusagen, wohin die Entwicklung insgesamt gehen wird. Die größte Wahrscheinlichkeit besteht darin, dass letztlich alles zentral durchgeführt wird. Derzeit werden ja alle neuen Produkte, alle neuen Substanzen zentral zugelassen und national eigentlich nur Generika. In dem Sinne ist die Trennung vernünftig, aber wahrscheinlich nicht das Endergebnis der Entwicklung.