Valproat: Risiko auch durch Väter 22.11.2025 08:33 Uhr
Eine umfassende Analyse aus Frankreich zeigt: Nehmen Männer Valproat ein, während sie Kinder zeugen, erhöht sich das Risiko neurologischer Entwicklungsstörungen beim Nachwuchs deutlich. ADHS und Autismus können die Folgen sein.
Valproat ist in Deutschland für die Behandlung von Epilepsie und bipolaren Störungen zugelassen. Der Einsatz ist aufgrund des Risikos angeborener Missbildungen jedoch stark eingeschränkt, insbesondere während der Schwangerschaft. Dass auch Männer mit der Einnhame ihren Nachwuchs gefährden, wurde in einer der bislang größten Untersuchungen des Forschungsverbund Epi-Phare in Frankreich, deutlich.
Die Forscher:innen haben Daten von 2,8 Millionen Kindern, die zwischen 2010 und 2015 geboren wurden, erfasst. Darunter 4773 Kinder, deren Väter innerhalb von drei Monaten vor der Empfängnis Valproat erhalten hatten. Ausgeschlossen wurden Kinder mit zerebralen Fehlbildungen, Kinder aus assistierter Reproduktion sowie Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft Medikamente mit erhöhtem Risiko (Valproinsäure, Valpromid, Carbamazepin, Topiramat) eingenommen hatten.
ADHS und Autismus
Im Fokus lag dabei, ob eines der folgenden Krankheitsbilder neu aufgetreten ist: Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), Lernstörungen, Autismus-Spektrum-Störungen und Kommunikationsstörungen.
In den Vergleich wurden 3115 Kinder einbezogen, deren Väter während der Spermatogenese Lamotrigin oder Levetiracetam erhalten hatten. Denn diese Wirkstoffe weisen ein günstiges Sicherheitsprofil auf.
Insgesamt zeigten 583 Kinder mindestens eine neurologische Entwicklungsstörung:
- ADHS betraf 149 Kinder
- intellektuelle Entwicklungsstörungen gab es bei 42 Kindern
- 77 Kinder hatten Autismus-Spektrum-Störungen
- 294 hatten Kommunikationsstörungen
- 160 hatten Lernstörungen
Risiko verdoppelt sich
Das Gesamtrisiko war bei Kindern von Vätern mit Valproat-Therapie um 24 Prozent erhöht. Das Risiko stieg in Bezug auf intellektuelle Entwicklungsstörungen am stärksten. Es hat sich im Vergleich zu Kontrollen ungefähr verdoppelt, was 3,5 zusätzlichen Fällen pro 1000 Kinder entspricht.
„Die Ergebnisse der bislang größten Studie zu diesem Thema bestätigen frühere Hinweise und liefern weitere Argumente für die seit Anfang 2025 in Frankreich eingeführten Maßnahmen, die Anwendung von Valproat bei männlichen Patienten einzuschränken“, so die Studienautor:innen. Solche Maßnahmen gelten gemäß der EMA-Empfehlung EU-weit.
Was EMA-Experten raten:
- Die Valproat-Therapie soll bei Männern ausschließlich von einem Facharzt mit entsprechender Expertise begonnen und überwacht werden.
- Männliche Patienten sollten über das mögliche Risiko neurologischer Entwicklungsstörungen bei ihren Kindern informiert werden.
- Es sollte regelmäßig bewertet werden, ob Valproat noch geeignet ist, insbesondere bei Kinderwunsch.
- Patienten sollen auf die Notwendigkeit einer wirksamen Empfängnisverhütung hingewiesen werden – sowohl für sich selbst als auch für ihre Partnerin, während der Behandlung selbst und mindestens 3 Monate nach Absetzen des Medikaments.
- Während der Valproat-Therapie und drei Monate danach, soll auf eine Samenspende verzichtet werden.