Bei über 66-Jährigen

Thiazide erhöhen Hautkrebsrisiko APOTHEKE ADHOC, 21.06.2021 14:28 Uhr

Thiazide können das Risiko für bösartige Hautveränderungen erhöhen. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

In den Gebrauchsinformationen von Thiaziden finden Anwender:innen bereits seit Längerem einen Hinweis darauf, dass die Einnahme dieser Stoffe ein erhöhtes Risiko für Hautmalignome birgt, wie erhöht dieses Risiko ist war bis jetzt jedoch nicht bekannt.

Menschen, die Thiazide einnehmen, sollen übermäßige UV-Strahlung vermeiden. Darauf weist die Gebrauchsinformation hin. „In zwei epidemiologischen Studien auf der Grundlage des dänischen nationalen Krebsregisters wurde ein erhöhtes Risiko von nicht-melanozytärem Hautkrebs (NMSC) (Basalzellkarzinom [BCC] und Plattenepithelkarzinom [SCC]) mit steigender kumulativer Dosis von Hydrochlorothiazid (HCTZ) beobachtet“, heißt es in einigen Fachinformationen von Hydrochlorothiazid.

Patient:innen sollten über dieses Risiko und über risikominimierende Maßnahmen informiert werden. So wird in den Fachinformationen folgender Hinweis gegeben: „Photosensibilisierende Wirkungen von HCTZ könnten zur Entstehung von NMSC beitragen. Patienten, die HCTZ einnehmen, sollten über das NMSC-Risiko informiert werden, und es sollte ihnen geraten werden, ihre Haut regelmäßig auf neue Läsionen zu prüfen und unverzüglich alle verdächtigen Hautveränderungen zu melden. Den Patienten sollten mögliche vorbeugende Maßnahmen empfohlen werden, um das Risiko von Hautkrebs zu minimieren; z. B. Einschränkung der Exposition gegenüber Sonnenlicht und UV-Strahlung oder im Fall einer Exposition Verwendung eines angemessenen Sonnenschutzes.“

Wie hoch ist das erhöhte Risiko?

Bisher gab es keine Studien darüber, wie sehr sich das Risiko für bösartige Hautveränderungen unter der Einnahme von Thiaziden tatsächlich erhöht. Kanadische Wissenschaftler:innen haben hierfür eine populationsbasierte Inception-Kohortenstudie mit administrativen Gesundheitsdaten der Provinz Ontario aus den Jahren 1998 bis 2017 aufgelegt. Jeweils eine Person, die über 66 Jahre alt war und ein Antihypertensivum einnahm, wurde mit zwei Personen verglichen, die keine dieser Blutdruckmittel einnahmen. Zu den Antihypertensiva die eingeschlossen wurden gehörten Thiazide, ACE-Hemmer, β-Blocker Angiotensin-II-Rezeptorblocker und Kalziumkanalblocker.

302.634 Patient:innen nahmen ein Arzneimittel aus den genannten Wirkstoffgruppen ein. Sie wurden mit 605.268 Personen in der Kontrollgruppe verglichen. 29 Prozent der 302.643 Personen erhielten Thiazide. Die Untersuchung zeigte, dass eine zunehmende Thiazid-Exposition mit einer erhöhten Rate an Plattenepithelkarzinomen und anderen Hautveränderungen einherging. Es zeigte sich zudem, dass eine höhere kumulative Exposition, also die Einnahme der Medikamente über einen längeren Zeitraum, mit einem erhöhten Hautkrebs-Risiko verbunden ist.

„Wenn die Medikamente nur ein paar Jahre eingenommen, hat dies keinen großen Einfluss auf das Krebsrisiko“ gibt Erstautor Aaron Drucker in einem Interview mit U.S. News & World Report Entwarnung. „Aber für jemanden, der 10 Jahre lang beispielsweise 25 Milligramm Hydrochlorothiazid pro Tag eingenommen hat, zeigt sich in unserer Studie ein um 40 Prozent erhöhtes Risiko für ein Keratinozytenkarzinom.“ Im Vergleich würde das bedeuten, dass jemand, der 20 Jahre lang dieselbe Dosis HCT erhalten hat, ein relatives erhöhtes Risiko um 75 Prozent im Vergleich zu jemanden hat, der nie HCT eingenommen hat, ergänzt der Wissenschaftler.

Die Ergebnisse sind erstaunlich. Generell konnten die Wissenschaftler festhalten, dass die Raten für die Entstehung von Basaliomen, Plattenepithelkarzinomen und Melanomen innerhalb eines Medians von 8,9 Jahren bei anhaltender Einnahme stiegen. Das Risiko für Melanome war um bis zu 60 Prozent erhöht. Das Risiko für Basaliome und Plattenepithelkarzinome stieg um rund 50 Prozent. Das Risiko war je Dosierung unterschiedlich.

Thiazide – gängige Therapieoption

Thiazide sind eine Untergruppe der Diuretika. Der am häufigsten eingesetzte Wirkstoff ist Hydrochlorothiazid (HCT). Er wird sowohl bei der arteriellen Hypertonie als auch bei der Herzinsuffizienz eingesetzt. Es sind viele Kombinationspräparate am Markt, beispielsweise mit Sartanen. Der Wirkort ist die Niere. Hier hemmt HCT die Rückresorption von Natrium und Chlorid. Folglich wird auch weniger Wasser rückresorbiert – es kommt zu einer Entwässerung.

Melanom – Häufigkeit steigt stetig an

Maligne Melanome kommen relativ häufig vor. 20 von 100.000 Frauen und 21 von 100.000 Männern erkrankten 2016 an schwarzem Hautkrebs – Tendenz steigend. Experten gehen davon aus, dass sich diese Erkankungsrate in den nächsten 20 Jahren verdoppeln könnte. Frühzeitig erkannt, kann die Krebsart gut behandelt werden. Das Risiko besteht in einer frühzeitigen Streuung. Um Krebszellen, die eventuell bereit s in den Körper gelangt sind, zu bekämpfen, können adjuvante Therapie angeboten werden. Diese senken das Rezidivrisiko. Bislang gilt Sonne, egal ob auf natürlichem Wege oder im Sonnenstudio, als größter Risikofaktor. Doch auch die genetische Veranlagung sollte nicht außer Acht gelassen werden. Sehr helle Hauttypen haben ein vielfach erhöhtes Risiko an einem Melanom zu erkranken.