Infektionsforschung

Studie: Impfstoffe als Creme dpa, 10.10.2014 10:48 Uhr

Saarbrücken - 

Creme statt Spritze: Impfstoffe sollen künftig auch ohne Nadelstich über die Haut in den Körper gelangen. Daran forschen Wissenschaftler des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung im Saarland (HIPS) und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig (HZI). Als „Taxi“ dienten biologisch abbaubare Nanopartikel, erklärt Professor Dr. Claus-Michael Lehr, Leiter der HIPS-Abteilung „Wirkstoff-Transport“.

Die winzigen Transportvehikel lagern sich nach Angaben der Forscher an den Haarfollikeln ab und setzen dort den Impfstoff in den Körper frei. „Die Haut bleibt intakt“, sagt Lehr. „Im Idealfall könnte zukünftig eine Hautcreme aufgetragen werden und man wäre geimpft.“ Entsprechende Cremes wären deutlich günstiger in der Herstellung und einfacher in der Handhabung – etwa in Entwicklungsländern.

Nach Ansicht des rheinland-pfälzischen Landesvorsitzenden im Berufsverband der Deutschen Dermatologen, Dr. Ralph von Kiedrowski, ist das eine Methode, die durchaus funktionieren könnte. Es gebe bereits andere Impfungen, bei denen der Stoff über die Mundschleimhäute aufgenommen werde, erläutert er. Vorteile sieht er beispielsweise für Menschen mit Spritzenphobie. Die Nanopartikel dürften allerdings nicht aus einer Substanz bestehen, die im Körper eine unbeabsichtigte Immunantwort auslöse. Auch müsste die Packung so ausgelegt sein, dass nicht zu viel oder zu wenig Impfstoff in den Körper gelange.

„Es kommt auf die richtige Dosis an“, sagt ein Sprecher des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA). „Dies müsste aber auch bei einer Creme eine lösbare Aufgabe sein.“ Es gebe immer wieder Überlegungen, weitere Impfungen ohne Spritzen zu entwickeln. Eine Creme sei ein realistischer Ansatz, da die Haut ein sehr immunaktives Organ sei.

Die Impfcreme der Helmholtz-Forscher ist bislang nur in der präklinischen Phase untersucht worden, also im Labor und an Tieren. Eine klinische Studie – bei der auch Menschen einbezogen werden – sei wegen mangelnder Sponsoren noch nicht geplant, sagt Lehr. Seinen Worten zufolge hat die herkömmliche Impfung per Injektion verschiedene Nachteile. „Es ist sehr aufwendig und teuer, solche Impfstoffe zu produzieren, und für die Anwendung braucht es geschultes Personal“, erklärt er.

Da mit den Nanopartikeln nicht genügend Impfstoff in den Körper gelangt, um die gewünschte Reaktion des Immunsystems hervorzurufen, haben die Forscher zusätzlich Adjuvantien mit den Mini-Transportern durch die Haut geschleust. Lehr könnte sich vorstellen, dass die Creme-Methode auch eingesetzt werden könnte, um Allergiker zu behandeln.

Auch einige Hersteller versuchen sich bereits an alternativen Darreichungsformen: 2012 hat AstraZeneca seinen ersten nasal zu applizierenden Lebendimpfstoff auf den deutschen Markt gebracht. Der Hersteller blieb zunächst darauf sitzen, weil die Krankenkassen diesen nicht erstatteten. Vom neuen Fluenz Tetra verspricht man sich mehr. Im vergangenen Jahr empfahl die Ständige Impfkommission (STIKO) die nasalen Vakzine explizit für Kleinkinder. Eine andere Applikationsform hat der Hersteller PharmaJet gefunden: In den USA erhielt die nadelfreie Injektionstechnologie Stratis 0.5mL Jet-Injektor die Zulassung. Mit einem Hochdruckstrahl soll der Grippeimpfstoff Afluria von bioCSL durch die Haut geschossen werden.