Ein Fall für die Intensivstation

Sinusvenenthrombosen: Wie können Patienten behandelt werden? Cynthia Möthrath, 08.04.2021 12:47 Uhr

Immunvermittelte Antikörperbildung gegen Thrombozytenantigene: Bei Hirn- und Sinusvenenthrombosen ist schnelles Handeln gefragt. Foto: Tatiana Shepeleva/ Shutterstock.com
Berlin - 

Der Zusammenhang zwischen dem AstraZeneca Impfstoff Vaxzevria und aufgetretenen Thrombosen wurde von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) bestätigt. Dennoch soll es keine Einschränkungen geben, da der Nutzen die Risiken einer Covid-Erkrankung überwiegt. Doch wie können Patienten mit Verdacht auf Hirnvenen- und Sinusvenenthrombosen (CVST) versorgt werden? Die Deutsche Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin (DGNI) klärt in einer Stellungnahme auf.

„Der Covid-19-Impfstoff von AstraZeneca sorgt wegen möglicher Nebenwirkungen wie Hirnvenen- und Sinusvenenthrombosen für Verunsicherung“, erklärt die DGNI. Da einige dieser Fälle sehr schwerwiegend verlaufen und lebensbedrohlich sein können, gibt sie nun offizielle Empfehlungen bekannt. „Zwar ist noch nicht gänzlich zu verstehen, warum eine Impfungs-assoziierte Thromboseneigung vor allem die Hirnvenen betreffen sollte oder warum deutliche regionale Unterschiede (z.B. kaum erhöhtes Auftreten in UK) zu bestehen scheinen, aber dies kann auch in Unterschieden im Bewusstsein, des Alters der geimpften Bevölkerung, der Symptomerkennung und der diagnostischen Aktivität begründet sein“, erläutert die Fachgesellschaft.

Als möglicher Pathomechanismus wird derzeit eine „vakzineinduzierte prothrombotische Immunthrombozytopenie“ (VIPIT) vermutet: Dabei werden durch die Impfung immunvermittelt Antikörper gegen Thrombozytenantigene gebildet. „In Analogie zur Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) kann es so Fc-Rezeptor-vermittelt zu einer Thrombo­zy­tenaktivierung und Thrombose kommen“, erläutert Julian Bösel, Präsident der DGNI.

Frauen unter 55 und eindeutige Symptome im Fokus

Wie bereits vom Robert-Koch-Institut (RKI) und der EMA berichtet, liegt ein besonderes Augenmerk auf Frauen unter 55 Jahren mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen oder Krampfanfällen, die etwa 5-14 Tage nach der Impfung auftreten. Auch die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) hat vor einer Woche bereits eine Stellungnahme herausgegeben, auf die sich die DGNI bezieht. „Bei Nebenwirkungen, die länger als drei Tage nach erfolgter Impfung anhalten oder neu auftreten, sollte eine weitere ärztliche Diagnostik zur Abklärung einer Thrombose erfolgen“, heißt es darin.

Diagnosestellung und Behandlung

Bei einem eindeutigen Verdacht soll die Diagnose mithilfe eines MRT und einer MR-Venografie gesichert werden. Außerdem soll eine Labordiagnostik mit großem Blutbild inklusive bestimmter Parameter erfolgen. Eine Antikoagulation bei CVST-Nachweis soll nicht durch Heparin, sondern durch Argatroban, Danaparoid oder direkte orale Antikoagulantien (DOAK) erfolgen.

„Während Heparine bei (autoimmuner) HIT kontraindiziert sind, ist eine parenterale Antikoagulation mit Heparinen bei bestätigter VIPIT möglich“, erläutert die GTH. Bei einer HIT soll zudem die Applikation von intravenösen Immunglobulinen in Erwägung gezogen werden. Da es sich bei einer Hirn- und Sinusvenenthrombose um eine Form des Schlaganfalls handelt, sei mindestens die Behandlung auf einer Stroke Unit erforderlich.

Komplikationen können beispielsweise in Form von Stauungsinfarkten oder - blutungen, Hirnödem, epileptischen Anfallsserien oder Status epilepticus auftreten. Bei Patienten mit schwerem Verlauf sollen daher die folgenden Aspekte gelten:

  • rechtzeitige Verlegung bzw. Aufnahme auf eine Neuro-Intensivstation
  • gegebenenfalls rechtzeitige Intubation und Beatmung
  • gegebenenfalls Installation eines Neuromonitorings
  • konsequente Behandlung epileptischer Anfälle
  • serielle zerebrale Bildgebung
  • bei raumforderndem Prozess rechtzeitig chirurgische Dekompression erwägen