Autismusrisiko stark erhöht

Schwangerschaft und Cannabis Alexandra Negt, 01.10.2020 08:59 Uhr

Cannabis in der Schwangerschaft kann die Inzidenz von Störungen des autistischen Formenkreises um etwa 50 Prozent erhöhen. Foto: Medropharm
Berlin - 

Das Rauchen in der Schwangerschaft nicht gut für das Ungeborene ist, ist bekannt. Es kann zu Frühgeburten oder geringem Geburtsgewicht kommen. Eine großangelegte Analyse zeigt nun, dass auch Cannabiskonsum während der Schwangerschaft schädlich ist – ganz unabhängig von der Nikotinzufuhr. Der Konsum erhöht die Prävalenz für Störungen des autistischen Formenkreises um rund 50 Prozent.

Mediziner befürchten, dass die zunehmende Legalisierung von Cannabis-Produkten dazu führen könnte, dass auch in der Schwangerschaft häufiger konsumiert wird. Auch wenn Medizinalhanf in Deutschland seit einigen Jahren therapeutisch eingesetzt wird, so sind die Erkenntnisse, welche Auswirkungen die Einnahme auf die Schwangerschaft und auf die Entwicklung des Kindes hat begrenzt. Eine großangelegte Analyse kanadischer Forscher bringt nun ein wenig Licht ins Dunkel.

Um den Einfluss von Cannabis auf die kindliche Entwicklung zu untersuchen werteten die Forscher Daten des Geburtsregisters der Provinz Ontario aus. Die genutzten Daten wurden im Zeitraum vom 1. April 2007 bis heute erhoben. Die neuronale Entwicklung der Kinder konnte durch die Datenbasen der Provinzial-Gesundheitsbehörde nachverfolgt werden. Untersucht werden sollte, ob Störungen, die zum autistischen Spektrum gehören, häufiger bei Schwangeren mit Cannabiskonsum auftraten als bei Frauen, die während der neun Monate keinen Hanf konsumierten. Darüber hinaus wurde in einer weiteren Analyse auch die Inzidenz von Defiziten bei der Intelligenz und Lernschwäche untersucht.

Im Ergebnis zeigte sich, dass Frauen, die während der Schwangerschaft Cannabis konsumierten, häufiger Kinder mit autistischen Störungen zur Welt brachten. Die Analyse ergab eine Inzidenz von 4 ASD-Diagnosen (autism spectrum disorder) auf 1000 Personenjahre. Bei den Frauen, die kein Cannabis konsumierten, lag dieser Wert bei 2,42 pro 1.000 Personenjahren. Vereinfacht ausgedrückt kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass Cannabiskonsum in der Schwangerschaft das Risiko für autistische Erkrankungen um 50 Prozent steigen lässt.

Der Cannabiskonsum während der Schwangerschaft scheint auch das Risiko für weitere neuronale Entwicklungsstörungen zu steigern. Die Wissenschaftler des Ottawa Hospital Research Instituts konnten ebenfalls einen Zusammenhang zwischen ADHS, Lernstörungen und verminderter Intelligenz feststellen. In dieser zweiten Analyse waren knapp eine halbe Million Kinder eingeschlossen.

Zu den autistischen Störungen, den sogenanntenAutismus-Spektrum-Störungen, gehören unterschiedliche Erkrankungen. Allen gemein sind unterschiedlich stark ausgeprägte tiefgreifende Entwicklungsstörungen, die mit einem reduzierten Interesse an sozialen Kontakten sowie einem reduzierten Verständnis sozialer Situationen auftreten können. Der Überbegriff fasst unter anderem den frühkindlichen Autismus, das Asperger-Syndrom und den atypischen Autismus zusammen.

Auch wenn den ersten Erkenntnissen zufolge ein Cannabiskonsum das Risiko einer autistischen Störung erhöht, so sprechen sich die Forscher für weitergehende Untersuchungen aus. Bisher können keine detaillierten Aussagen zum Konsumzeitpunkt oder der Konsummenge getätigt werden.