BDN-Expertin rät ab

Schilddrüse: „Nahrungsergänzungsmittel unnötig teuer“ 26.11.2025 07:57 Uhr

Berlin - 

Patient:innen mit einer Schilddrüsenunterfunktionen profitieren nur wenig von einer Supplementierung mit Nahrungsergänzungsmitteln (NEM), sagt eine Expertin des Berufsverbandes Deutscher Nuklearmediziner (BDN): „Diese stellen eine unnötige Geldausgabe dar.“ Wichtiger sei es, herauszufinden, ob die Beschwerden von den Wechseljahren, einer speziellen Lebensweise oder psychisch belastenden Lebenssituationen herrühren könnten.

„Betroffene von Schilddrüsenunterfunktionen erkundigen sich immer häufiger nach NEM, die sie zusätzlich zu den Schilddrüsenhormonen einnehmen wollen“, erklärt Dr. Gesche Wieser, Fachärztin für Nuklearmedizin. Sie werde seit einiger Zeit von Betroffenen gefragt, ob die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll sei. „Diese Patientinnen und Patienten wollen dann häufig auch wissen, ob sie an einer Umwandlungsstörung leiden“, ergänzt sie.

Es sei ein neuer Trend, der über Webseiten suggeriere, dass Betroffene unter einer sogenannten Konversionsstörung litten. Heißt konkret: Das Schilddrüsenhormon T4 (Thyroxin) wird in Leber und Niere nicht ausreichend in seine aktive Form T3 (Trijodthyronin) umgewandelt. „Die Umwandlungsstörung kann zu Symptomen einer Schilddrüsenunterfunktion führen, obwohl die Patientinnen und Patienten medikamentös gut eingestellt sind und in Bluttests normale TSH- und normale bis erhöhte T4-Werte zeigen“, erklärt Wieser. „Das aktive Hormon T3 ist in solchen Fällen vermindert.“

Hersteller raten zu NEM

Auf einschlägigen Portalen heißt es dazu: „Was machst du, wenn dein Therapeut dir sagt, dass du gut eingestellt bist und du trotzdem weiterhin alle möglichen Symptome hast?“ Empfohlen werden daraufhin NEM gegen Müdigkeit, Haarausfall oder Gewichtsprobleme. Das Problem: „Umwandlungsstörungen sind extrem selten und daher sehr unwahrscheinlich. Genaue Zahlen liegen nicht vor, aber genetisch bedingte Umwandlungsstörungen begegnen uns in der Praxis fast nie“, berichtet Wieser.

„Ist die Umwandlung durch einen stressbedingt erhöhten Kortisolspiegel, schwere Krankheit oder Medikamente wie etwa Betablocker gestört, kann die Ursache meist behoben werden. Im Zweifel klärt eine Laborbestimmung, ob tatsächlich eine Umwandlungsstörung vorliegt.“

Mariendistel in dem Fall unwirksam

„In dem Fall bewirken pflanzliche Arzneimittel wie Mariendistel, die die Leber stimulieren sollen, bei einer genetisch bedingten Konversionsstörung nichts. Wir empfinden solche Empfehlungen als hochgradig unseriös“, kritisiert Wieser. Man gaukele den Menschen vor, es gäbe eine „natürliche“ Therapie. „Aber die gibt es nur, indem man die Schilddrüsenhormone ausgleicht, gegebenenfalls mit einem höheren Anteil des aktivierten T3.“

Negativ falle auf, dass auf den Homepages der Nutzen dieser NEM auf keine Weise belegt ist. „Manche Schilddrüsenpatientinnen und -patienten nehmen einen gefährlichen Cocktail an Nahrungsergänzungsmitteln ein, deren Kosten sich schnell auf 600 Euro und mehr im Jahr addieren“, erklärt die Fachärztin.

„Selbstverständlich gibt es auch Patientinnen und Patienten mit Schilddrüsenunterfunktion, denen es trotz Hormontherapie nicht richtig gut geht“ betont sie. „Wenn sich Beschwerden wie Müdigkeit trotz der Schilddrüsenmedikamente einstellen, liegt das fast immer an anderen Ursachen.“ Zu solchen Auslösern zählen häufig andere Hormondefizite, Eisen- und Vitamin-B12-Mangel bedingt durch die Wechseljahre oder vegetarische oder vegane Ernährung. „Das lässt sich mit Tests leicht herausfinden.“

Psychosomatische Beschwerden

Es könne sich aber auch um psychosomatische Beschwerden handeln, die etwa aus starker Gewichtszunahme in der Menopause oder aus belastenden Lebenssituationen resultieren. „Wir hören dann beispielsweise von einer Patientin, die uns trotz gut eingestellter Schilddrüsenwerte wegen Herzrasen und Schluckbeschwerden aufsucht, dass ihre Mutter im Sterben liegt“, schildert Wieser. „Die Patientin ist so sehr belastet, dass sich das in körperlichen Symptomen zeigen kann.“

Sie rät daher allen, die trotz Einnahme von Schilddrüsenhormonen weiter unter Beschwerden oder Unwohlsein leiden: „Man sollte die Einstellung überprüfen lassen, sich aber auch ganz offen fragen, ob noch andere Ursachen dahinterstecken könnten. Das ist zielführender als viel Geld für fragwürdige Nahrungsergänzungsmittel auszugeben.“