Auswirkungen auf die Psyche

Paracetamol: Weniger Angst, mehr Risiko? Cynthia Möthrath, 21.10.2020 12:22 Uhr

Mehr als nur schmerzstillend: Paracetamol erhöhte in einer Studie die Risikobereitschaft – das könnte auch Auswirkungen auf das Pandemie-Geschehen haben. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Der Wirkstoff Paracetamol gehört zu den beliebtesten Schmerzmitteln überhaupt, da er unter anderem als besonders magenfreundlich gilt. Forscher fanden nun heraus, dass die Effekte der Substanz womöglich über eine antipyretische und analgetische Wirkung hinausgehen: Paracetamol soll Ängste nehmen und risikobereiter machen – das könnte auch Einfluss auf die Corona-Pandemie haben.

Als bekannteste Nebenwirkung von Paracetamol gilt der negative Einfluss auf die Leber. Forscher der Ohio State University nahmen sich dem Analgetikum nun jedoch aufgrund seiner Wirkungen auf die Psyche an: Paracetamol wurde an insgesamt über 500 Freiwilligen in drei Testreihen überprüft. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Social Cognitive and Effective Neuroscience“ veröffentlicht.

Paracetamol erhöht Risikobereitschaft

Die Probanden erhielten in der doppelblinden Studie entweder 1000 mg Paracetamol oder Placebo. Anschließend sollten sie mithilfe eines Computerprogramms – welches auch zur Untersuchung von Drogen- und Alkoholeinfluss verwendet wird – verschiedene Entscheidungen treffen. Unter anderem sollte ein Ballon per Mausklick aufgeblasen werden. Mit jedem weiteren Klick zum Aufblasen erhielten die Teilnehmer eine virtuelle Geldsumme. Platzt der Ballon jedoch, waren alle bisherigen Einnahmen verloren. Des Weiteren wurden Fragebögen zur Risikobereitschaft ausgefüllt: Dabei musste angegeben werden mit welchem Risiko beispielsweise ein Bungee-Sprung von einer Brücke bewertet wird.

Durch die Einnahme von Paracetamol zeigte sich eine deutlich gesteigerte Risikobereitschaft: Der Ballon wurde durchschnittlich 40 Mal aufgepumpt, in der Kontrollgruppe war es nur etwa 33 Mal. Die Probanden schienen insgesamt weniger ängstlich und gaben auch bei den Fragebögen Antworten, die mit einer höheren Risikobereitschaft assoziiert waren. So hatten sie beispielsweise im Vergleich zu den Probanden ohne Paracetamol-Einnahme weniger Angst vor Dunkelheit, einer neuen Karriere oder einem Bungee-Sprung.

Die Forscher äußerten aufgrund der Ergebnisse Bedenken: Da Paracetamol frei verkäuflich sei und häufig eingenommen werde, könne es zu „unvorstellbaren Auswirkungen“ im Straßenverkehr kommen. Kritisch sei zudem, dass der Wirkstoff von den Gesundheitsbehörden der USA seit der Corona-Pandemie vermehrt empfohlen werde. Denkbar sei beispielsweise, dass unter Paracetamol-Einnahme die Angst vor einer Ansteckung mit Covid-19 gesenkt werde oder das Risiko einer Ansteckung nicht mehr richtig eingeschätzt werden könne. Sie appellieren daher auch freiverkäufliche Medikamente intensiver auf ihre Nebenwirkungen zu untersuchen.