Biotechnologie

Opiate aus Bierhefe dpa, 19.05.2015 11:03 Uhr

Opiate aus Berkeley: Mit eingeschleusten Enzymen haben US-Forscher Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae) dazu gebracht, aus Glukose die Schlafmohn-Substanz Reticulin zu produzieren. Foto: William DeLoache / UC Berkeley
Berkeley - 

Opiate und andere Schlafmohn-Bestandteile können künftig industriell von Mikroorganismen aus Zucker hergestellt werden. Mit eingeschleusten Enzymen haben US-Forscher Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae) dazu gebracht, aus Glukose die Schlafmohn-Substanz Reticulin zu produzieren. Sie ist der Vorläufer vieler Opiate und anderer Arzneistoffe. Nun sei die biotechnologische Herstellung solcher Stoffe nur noch eine Frage der Zeit, schreibt das Team um Dr. John Dueber von der Universität von Kalifornien in Berkeley im Fachblatt „Nature Chemical Biology“. Dies erleichtere die illegale Produktion vieler Drogen, mahnen Experten in einem Kommentar und fordern eine staatliche Kontrolle solcher Hefestämme.

Die Wissenschaftler suchten einen Weg, sogenannte Benzylisochinoline (BIA) von Mikroorganismen herstellen zu lassen. Zu diesen Stoffen im Schlafmohn (Papaver somniferum) zählen neben Opiaten wie Morphin oder Codein auch Antibiotika, der krampflösende Wirkstoff Papaverin oder Krebsmittel.

Indem die Wissenschaftler die Hefe mit Enzymen etwa der Zuckerrübe (Beta vulgaris) ausstatteten, erzeugten sie aus einem Glukose-Abkömmling den Schlafmohn-Bestandteil Reticulin. Die weiteren Schritte – zu Morphin oder anderen Substanzen – sind nach ihren Angaben eher Formsache.

„Eigentlich will man bei der Fermentation die Hefe mit einer billigen Zuckerquelle füttern und sie alle weiteren chemischen Schritte machen lassen, um die Zielsubstanz zu gewinnen“, so Dueber. „Mit unserer Studie sind nun alle Schritte beschrieben, und es geht nur noch darum, sie zusammenzubringen und die Produktion aufzustocken.“

„Reticulin ist entscheidend, denn von da an sind die molekularen Schritte zur Herstellung von Codein und Morphin durch Hefe schon beschrieben“, sagt der Mikrobiologe Dr. Vincent Martin von der Concordia Universität in Montreal (Kanada).

Pamela Peralta-Yahya vom Georgia Institute of Technology in Atlanta (US-Bundesstaat Georgia) wertet die Studie in einem „Nature“-Kommentar als bahnbrechend: „Diese Arbeit öffnet die Tür dazu, komplexe BIAs direkt aus Glucose herzustellen.“ Hefe sei der bevorzugte Wirtsorganismus für die Erzeugung pflanzlicher Wirkstoffe und eigne sich gut für die industrielle Produktion.

Allerdings dürfte das Produktionsverfahren Regulierungsbehörden vor neue Herausforderungen stellen, betonen die Forscher. Denn damit könne man Opiate oder andere rechtlich regulierte Stoffe schon in wenigen Jahren selbst erzeugen.

In einem weiteren „Nature“-Kommentar fordern drei Forscher eine staatliche Regulierung. Derzeit werde etwa Morphin noch aus Schlafmohn produziert, der illegal vor allem in Afghanistan, Mexiko, Laos und Myanmar angebaut werde, schreiben die Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT/USA) und der kanadischen Universität von Alberta in Edmonton.

Mit der neuen Technologie lasse sich der Markt dezentralisieren. „Prinzipiell könnte jeder mit Zugang zu dem Hefe-Stamm und Grundkenntnissen in Fermentierung mit einem Heimset zum Bierbrauen Morphin-produzierende Hefe kultivieren“, schreiben sie.

Die Zahl von derzeit etwa 16 Millionen Menschen, die weltweit illegal Opiate konsumieren, könne mit leichterem Zugang und sinkenden Preisen steigen. Die Kommentatoren fordern, die neuen Hefestämme zu überwachen und nur lizenzierten Forschern zur Verfügung zu stellen. Dueber hält das für schwierig: „Wenn das Wissen darum, wie man einen Opiat-produzierenden Stamm erzeugt, erst einmal da draußen ist, kann das theoretisch jeder mit Grundkenntnissen in Molekularbiologie machen.“