Alzheimer

Nährstoff-Joghurt gegen das Vergessen Deniz Cicek-Görkem, 06.11.2017 12:58 Uhr

Berlin - 

Eine kausale Behandlung von Alzheimer-Patienten gibt es derzeit nicht, die verfügbaren pharmakotherapeutischen Maßnahmen zielen darauf ab, die Symptome zu verbessern und die Beschwerden zu lindern. Daher ist die Prävention in jüngster Zeit verstärkt in den Fokus der Wissenschaft geraten. Nun konnten Wissenschaftler erstmals beweisen, dass eine Nährstoffkombination die kognitiven und funktionellen Leistungen von Patienten im vordemenziellen Stadium signifikant verbessern kann. Die im Fachjournal „The Lancet Neurology“ publizierten Ergebnisse zeigen auch, dass das Gehirn bei den Probanden weniger schrumpfte.

An der randomisierten, kontrollierten, doppelblinden, multizentrischen Langzeitstudie nahmen 311 Patienten für 24 Monate teil, das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei rund 71 Jahren. Unter der Leitung von Professor Dr. Tobias Hartmann von der Universität des Saarlandes untersuchte das europäische Forscherkonsortium LipiDiDiet die Wirkung von „Fortasyn Connect“ auf Alzheimer-Patienten im Prodromalstadium. Die leichte kognitive Beeinträchtigung wurde zu Studienbeginn mittels Biomarker nachgewiesen.

Das spezielle Nähstoffgemisch enthielt eine Kombination aus essenziellen Fettsäuren (Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA)), Vitaminen (B12, B6, C, E und Folsäure) und anderen Nährstoffen wie Cholin, Uridinmonophosphat sowie Selen. Die Hälfte der Patienten nahm die Nährstoffkombination einmal täglich in Form eines Trinkjoghurts à 125 ml zu sich, die Kontrollgruppe erhielt ein Getränk, das im Geschmack sowie in der Konsistenz und Farbe identisch war, aber keine Wirkstoffe enthielt.

Beide Patientengruppen wurden neuropsychologischen Einzeltests unterworfen, die unter anderem das Lernen, Erinnern und Erkennen von zehn Wörtern beinhalteten. Sie sollten weiterhin möglichst viele Wörter der Kategorie „Tier“ innerhalb einer vorgegebenen Zeit aufsagen sowie Buchstaben und Zahlen vertauschen. Die Patienten mit Nährstoffbehandlung zeigten keine statistisch signifikanten Unterschiede zu der Kontrollgruppe. Die Forscher beobachteten allerdings, dass Fortasyn Connect deutlich positive Wirkungen im Hinblick auf die alltäglichen Herausforderungen der Patienten hatte. Beispiele hierfür waren die Fähigkeit, mit Notfällen im Haushalt umzugehen, finanzielle oder geschäftliche Vorgänge zu bewältigen oder wichtige Ereignisse nicht zu vergessen. Die klinische Einschätzung des Schweregrades der Demenz ging mit einer 44 Prozent geringeren Verschlechterung einher.

Die Wissenschaftler stufen diese Untersuchung als besonders bedeutend ein, weil sie den Krankheitsverlauf des Patienten anhand seiner Leistungen im alltäglichen Leben bewertet. Sie stellten außerdem fest, dass der Hippocampus um 26 Prozent bei den Patienten, die den Trinkjoghurt zu sich nahmen, weniger schrumpfte. Unterschiede in den Nebenwirkungen gab es in beiden Gruppen keine.

„Die diagnostische Möglichkeiten bei Alzheimer-Patienten haben sich in den letzten Jahren wesentlich verbessert, leider befinden sich aber die zur Verfügung stehenden pharmakologischen Therapieoptionen für die prodomale Alzheimer-Krankheit noch im Entwicklungsstadium. Vor diesem Hintergrund ist das mit dieser Studie verbesserte Verständnis um die Bedeutung ernährungsbezogener Interventionen sehr wichtig. Die LipiDiDiet Studie zeigt, dass die Nährstoffbehandlung helfen kann, sowohl die Gehirnsubstanz und das Gedächtnis zu bewahren als auch den Anforderungen des täglichen Lebens gerecht zu werden – wohl der bedrückendste Aspekt der Alzheimer-Krankheit“, sagt Professor Dr. Hilkka Soininen, Neurologin und Leiterin des klinischen Teils der Studie (Universität Ostfinnland). In Vorabuntersuchungen wurden bereits Effekte auf das Gedächtnis bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz beobachtet.

„Eine Heilung wird durch diese Behandlung noch nicht erreicht, aber es zeigt sich, dass je früher diese Intervention eingesetzt wird, desto größer ist der Nutzen für den Patienten“, sagt Professor Dr. Tobias Hartmann, Leiter der Gesamtstudie. Ein weiterer bemerkenswerter Meilenstein sei, dass zusammen mit dem kognitiv-funktionellen Gewinn eine verringerte Hirnschrumpfung festgestellt wurde, also ein Ergebnis, das über eine symptomatische Wirkung hinausging. „Dies wurde bei den bisher zur Verfügung stehenden Therapien nie erzielt.“