Schwerwiegende Nebenwirkungen

Musterklage: Impotenz durch Finasterid APOTHEKE ADHOC, 22.05.2019 07:59 Uhr

Berlin - 

Finasterid wurde lange Zeit erfolgreich zur Behandlung der Alopezie eingesetzt. In den vergangenen Jahren wurden jedoch zunehmend gravierende Nebenwirkungen festgestellt: Tausende Männer verklagten in den USA den Pharmakonzern Merck. Doch auch hierzulande gibt es einen Prozess: Am Mittwoch findet am Landgericht Paderborn die mündliche Verhandlung eines Patienten gegen einen Hersteller statt.

Die Wirkung von Finasterid wurde zufällig entdeckt: Ursprünglich wurde der Wirkstoff zur Behandlung der gutartigen Prostataerweiterung (BPH) eingesetzt. Bei neun von zehn Patienten kam es unter der Therapie zu einem verbesserten Haarwachstum. Der Wirkstoff steht nun allerdings seit längerem im Verdacht, schwerwiegende Nebenwirkungen hervorzurufen. Im Beipackzettel wird auf diverse unerwünschte Arzneimittelwirkungen hingewiesen: Depressionen, Erektionsstörungen, Libidoverlust oder Ejakulationsstörungen können auftreten.

Eine Studie konnte belegen, dass diese Nebenwirkungen auch über die Einnahme hinaus andauern können. Bei einigen Patienten treten sie selbst zehn Jahre nach Absetzen auf. In den USA verklagten 1400 Männer den Pharmakonzern Merck aufgrund des „Post-Finasterid-Syndroms“. Merck hatte das Mittel Propecia ursprünglich auf den Markt gebracht. Im vergangenen Jahr warnte auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mittels Rote-Hand-Brief vor den bislang unterschätzten Gefahren von Finasterid.

Bei den Landgerichten Berlin, Paderborn und Stuttgart sollen nun drei Musterklagen von Betroffenen die Umstände klären. Die 30- bis 40-Jährigen fordern Schmerzensgeld und Schadenersatz. Am Landgericht Paderborn findet an diesem Mittwoch die mündliche Verhandlung statt.

Ein Team der Northwestern University Feinberg School of Medicine in Chicago untersuchte an etwa 12.000 Männern den Zusammenhang zwischen Einnahmedauer, Risiko und Anhalten der Beschwerden nach Absetzen der Medikation mit Finasterid. Als Vergleich dienten Probanden mit kurzzeitiger Exposition oder Männer, die keines der Medikamente einnahmen.

1,4 Prozent der Männer litten an einer PED über einen Zeitraum von etwa 3,5 Jahren nach dem Absetzen der Medikamente. Bei Männern zwischen 16 und 42 Jahren, die mit maximal 1,25 mg Finasterid behandelt wurden, waren etwa 1 Prozent betroffen. Probanden aus dieser Altersgruppe, die länger als 205 Tage behandelt wurden, hatten ein knapp fünffach erhöhtes Risiko, an einer DEP zu leiden, als jene, die über den kürzeren Zeitraum behandelt wurden. Auch Patienten, die gleichzeitig mit einem nicht-steroidalem Antirheumatikum (NSAR) behandelt wurden, hatten ebenfalls ein fünffach höheres Risiko.

Finasterid hemmt die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT). Einige Haarfollikel reagieren auf DHT mit einer Verkürzung der Wachstumsphase. Wird Testosteron nicht mehr umgewandelt, verlängert sich die anagene Phase wieder, die Haare fallen nicht mehr aus. Das Medikament wird so lange eingenommen, wie das Haar erhalten bleiben soll. Nach dem Absetzen können die Beschwerden wiederkehren. Erste Erfolge sind nach etwa drei bis sechs Monaten der Einnahme zu verzeichnen.