Off-label-Use

Misoprostol: Gefährliche Nebenwirkungen für Schwangere Alexandra Negt, 12.02.2020 12:29 Uhr

Um eine Geburt zu erleichtern, können Mediziner Hormone oder Prostaglandine verabreichen. Der Einsatz des Prostaglandins Misoprostol ist umstritten. Risiken für das Neugeborene sind bekannt, in der Praxis findet der Arzneistoff dennoch Anwendung. Foto: Pixabay
Berlin - 

Misoprostol ist in zwei unterschiedlichen Indikationen zugelassen: Der Wirkstoff wird zum einen zur Behandlung von Magenulzera eingesetzt, höher dosiert wird Misoprostol in Kombination mit Mifepriston bei Schwangerschaftsabbrüchen gegeben. Die wehenauslösende Tablette scheint von vielen Gynäkologen auch im Rahmen der Geburtseinleitung genutzt zu werden. Der Off-Label-Use birgt Risiken für das Kind.

Misoprostol im Off-Label-Use

Verschiedenen Medienberichten zufolge nutzen Geburtsmediziner den Wirkstoff Misoprostol, neben den eigentlichen Indikationen, auch zur Einleitung der Wehen. In der Schwangerschaft ist der Arzneistoff kontraindiziert. Setzt ein Arzt den Wirkstoff während der Geburt ein, so muss er die Frau darüber aufklären. Darüber hinaus benötigt er die Zustimmung der Schwangeren.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) kann den Einsatz des Mittels in der Geburtsmedizin aufgrund der Therapiefreiheit der Ärzte nicht verbieten. Man bevorzuge beim BfArM eindeutig den Einsatz von zugelassenen Arzneimitteln gemäß der jeweiligen Zulassungsbedingungen, sagte Maik Pommer, Sprecher des BfArM. Hierfür lägen Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit vor. Bei anderen Anwendungen sei dies häufig nicht der Fall.

Wehenfördernde Mittel

In Deutschland sind verschiedene Arzneimittel zur Einleitung der Wehen zugelassen. Hormone, wie Prostaglandine oder Oxytocin, können bei bereits leicht geöffnetem Muttermund gegeben werden, um die Wehen zu verstärken. Die Geburt kann für die Frau somit erleichtert werden. Die Wirkstoffe können als Tablette eingenommen, oder als Gel auf den Muttermund aufgetragen werden. Oft bekommt die Frau auch einen Zugang gelegt und erhält das Wehenmittel als Infusion über einen sogenannten Wehentropf direkt ins Blut. Hormone erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schwangere innerhalb der nächsten 24 Stunden ihr Kind vaginal zur Welt bringt.

Risiken bekannt – Trotzdem empfohlen

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) bestätigte, dass Risiken bekannt seien, wenn der Wirkstoff außerhalb des eigentlichen Anwendungsbereichs verordnet werde. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt die Anwendung von Misoprostol zur Geburtseinleitung.

In Einzelfällen sei die Gebärmutter der Frauen gerissen. Es liegen Berichte über schwere Gehirnschäden beim Neugeborenen nach der Gabe von Misoprostol vor. Als Grund hierfür wird eine Sauerstoffunterversorgung des kindlichen Gehirns diskutiert. Mehrere Babys in Deutschland und Frankreich seien laut Gutachten, Fallberichten und Gerichtsurteilen gestorben. Für Angehörige der Heilberufe besteht bei solchen Todesfällen keine Meldepflicht nach den Regelungen des Arzneimittelgesetzes.

Die Französische Agentur für die Sicherheit von Gesundheitsprodukten (ANSM) warnte bereits 2005 vor den Risiken des Arzneimittels. Das Problem: Etwa 94 Prozent aller französischen Cytotec-Verschreibungen waren für den Off-Label-Use gedacht, obwohl Alternativen verfügbar waren. Die Konsequenz: Seit 2018 ist Misoprostol in Frankreich nicht mehr verfügbar.

Anwendung zur Geburtseinleitung – Häufigkeit

2013 wurden alle Kliniken mit Geburtshilfe in Deutschland (n = 738) zum Einsatz von Misoprostol in der Geburtsmedizin angeschrieben. Von den angeschriebenen Kliniken hatten 542 geantwortet, 355 Kliniken setzten Misoprostol zur Geburtseinleitung ein, das entspricht 66 Prozent. Kliniken mit einer hohen Einleiterate setzten signifikant häufiger Misoprostol ein als Kliniken mit einer niedrigen Rate. Die häufigste Applikationsform ist die Tablette, sie wurde in 91 Prozent der Fälle verabreicht.

Misoprostol

Der Wirkstoff ist ein Prostaglandin-E1-Analogon. Als Prodrug wird der Arzneistoff nach der Leberpassage in den aktiven Metaboliten umgewandelt. Der Prostaglandin-Agonist greift an den Belegzellen der Magenschleimhaut an und hemmt so die Produktion von Magensäure und Pepsin. Außerdem bewirkt der Arzneistoff eine Kontraktion des Myometriums (Muskelschicht der Gebärmutterwand), wodurch sich der Gebärmutterhals öffnet.

Nebenwikungen:

  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Durchfall
  • Blähungen
  • Unterleibskrämpfe
  • Uteruskontraktionen
  • Vaginale Blutungen
  • Schwindel
  • Kopfschmerzen

Dosierung bei Schwangerschaftsabbruch: 400 Mikrogramm Misoprostol werden als Einzeldosis oral, 36 bis 48 Stunden nach der Verabreichung einer Einzeldosis von 600 mg Mifepriston eingenommen. Erbrechen innerhalb von 30 Minuten nach der Einnahme kann zu einer nicht ausreichenden Wirksamkeit von Misoprostol führen, in diesem Fall wird eine erneute orale Einnahme einer Tablette empfohlen.