Multiple Sklerose

Mayzent: Zusatznutzen, ja oder nein? Alexandra Negt, 01.07.2020 08:55 Uhr

Novartis: Siponimod verzögert Krankheitsprogression und Hirnatrophie bei aktiver SPMS. Die AkdÄ sieht keinen Zusatznutzen bei dieser Indikation. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Novartis erhielt im Januar die EU-Zulassung für Mayzent (Siponimod). Das Arzneimittel stellt die erste orale Therapieoption für Patienten mit sekundär progredienter Multipler Sklerose (SPMS) dar, die das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt. Novartis informiert aktuell darüber, dass Siponimod die Krankheitsprogression und Hirnatrophie verzögert. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) sieht für SPMS keinen Zusatznutzen für das Medikament.

Seit Januar diesen Jahres steht mit Siponimod ein Sphingosin-1-Phosphat(S1P)-Rezeptor-Modulator zur Behandlung von Erwachsenen mit sekundär progredienter Multipler Sklerose (SPMS) mit Krankheitsaktivität, nachgewiesen durch Schübe oder Bildgebung der entzündlichen Aktivität zur Verfügung. Der Arzneistoff gehört zu den krankheitsmodifizierenden Arzneimitteln (Disease modifying Drug, DMD). Das Ziel einer Behandlung mit Siponimod ist die Verminderung der Rezirkulation von T-Zellen in das ZNS mit dem Ziel, die Entzündung im ZNS zu begrenzen.

Insgesamt können vier verschiedene Formen der Multiplen Sklerose anhand des klinischen Verlaufes unterschieden werden. Die empfohlene Behandlung richtet sich nach der Art der Erkrankung. Zu den vier Formen gehören:

  • MS mit klinisch isolierten Symptomen
  • die schubförmige MS (RMS),
  • die sekundär progrediente MS (SPMS) sowie
  • die primär progrediente Verlaufsform (PPMS)

Novartis präsentiert aktuelle Phase-III-Daten

Aktuelle Daten der Phase-III-Studie Expand belegen, dass Siponimod bei Patienten mit aktiver SPMS im Vergleich zu Placebo das Risiko für nach sechs Monaten bestätigte Behinderungsprogression – unabhängig von der Vortherapie – sowie für den kognitiven Funktionsverlust signifikant reduzierte. Darüber hinaus zeigte Siponimod eine signifikante Verringerung des Volumenverlustes der kortikalen grauen Substanz und des Thalamus. Die Anwendung von Mayzent würde das Risiko für Behinderungsprogression und kognitive Einbußen verringern, folgert Novartis aus den Studienergebnissen.

In der randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Phase-III-Studie Expand wurden die Wirksamkeit und Sicherheit von Siponimod gegenüber Placebo bei SPMS-Patienten mit verschiedenen Schweregraden der Behinderung untersucht. Die angeschlossene Extensionsphase umfasste 1651 SPMS-Patienten aus 31 Ländern, die den Wirkstoff unverblindet erhielten. Die Gesamtergebnisse der Studienpopulation ergaben, dass Siponimod das Risiko einer nach drei und einer sechs Monaten bestätigten Behinderungsprogression signifikant reduzierte – unabhängig von einer vorherigen krankheitsmodifizierenden Therapie oder Interferon-Gabe.

Stellungnahme der AkdÄ

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hat Anfang Juni eine Stellungnahme zur frühen Nutzenbewertung von Siponimod vorgenommen und sieht für den Wirkstoff bei den Krankheitsbildern aktive SPMS, mit und ohne aufgesetzte Schübe, keinen Zusatznutzen. Die AdkÄ bemängelt Vorgehensweisen innerhalb der Expand-Studie seitens Novartis. So heißt es in der Stellungnahme: „Für die Subpopulation B (aktive SPMS ohne aufgesetzte Schübe) findet sich zwar ein signifikanter Effekt von Siponimod auf die bestätigten Krankheitsschübe. Dieser Effekt kann aber aus mehrerenGründen nicht zur Begründung eines Zusatznutzens herangezogen werden.“ Die Kommission bemängelt folgende Punkte:

  • Es bestehe ein erhebliches Verzerrungspotenzial aufgrund einer möglichen Entblindung bei einem Teil der Patienten.
  • Ungefähr drei Viertel der Patienten erhielten zuvor eine krankheitsmodifizierende Therapie, im Falle von IFN-beta 1 und Glatirameracetat auch ohne Auswaschperiode. Ein Einfluss auf das Neuauftreten von Schüben könne nicht ausgeschlossen werden.
  • Der primäre Endpunkt der Studie war die bestätigte Behinderungsprogression nach drei Monaten. Gerade für diesen Endpunkt würde sich jedoch kein signifikanter Effekt finden lassen.

So heißt es weiter in der Stellungnahme: „Siponimod hat einen dem Wirkstoff Fingolimod vergleichbaren Wirkmechanismus. Die Wirkung auf entzündliche Komponenten der MS, die auch bei früher SPMS eine pathophysiologische Rolle spielt, ist durch die klinische Wirkung auf die Schubfrequenz und auf die radiologisch ermittelte Läsionslast belegt. Der Nachweis einer Wirkung auf die degenerative Komponente fehlt aber bisher.“