Chronische Hauterkrankung

Lichen sclerosus: Neue Leitlinie empfiehlt Kortison 09.09.2025 13:19 Uhr

Berlin - 

Lichen sclerosus (LS) ist eine chronische, entzündliche Hauterkrankung im Genitalbereich, die häufig übersehen und oft zu spät behandelt wird. Die neue S3-Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) empfiehlt nun eine frühzeitige und konsequente Therapie mit hochpotenten Kortikoidsalben als Mittel der ersten Wahl.

Kern der neuen Leitlinie ist die Behandlung mit hochpotenten topischen Glukokortikoiden wie Clobetasolpropionat oder Mometasonfuroat. Salben sind dabei Cremes oder Lotionen vorzuziehen, da sie fettreicher sind und den Wirkstoff länger auf der Haut verfügbar machen.

„Das Wort Kortison ruft noch immer bei vielen Menschen Ängste hervor. Diese sind aber bei lokaler Anwendung im Bereich der äußeren Genitalhaut aufgrund der begrenzten Fläche unbegründet“, erklärt Wölber.

Dr. Gudula Kirtschig, Dermatologin am Medbase Gesundheitszentrum Frauenfeld (Schweiz) und federführend an der Leitlinie beteiligt, betont zusätzlich die Bedeutung einer konsequenten Hautpflege. „Wir empfehlen unseren Patientinnen und Patienten mindestens zweimal täglich Emollientien aufzutragen, um die Hautbarriere zu stärken.“

Patienten gezielt aufklären

Ein weiterer Schwerpunkt der Leitlinie liegt laut Kirtschig auf Patientenschulungen. „Eine umfassende Aufklärung zur Anatomie und zum klinischen Erscheinungsbild des LS ist wichtig. Die Patientin oder der Patient soll unterstützt werden, mit ihrer oder seiner Erkrankung konstruktiv umzugehen. Dazu gehört auch, den Krankheitsverlauf selbst zu beobachten. Das kann die Therapietreue immens verbessern.“

Nach Ansicht von Professor Dr. Silke Hofmann, Direktorin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie am Helios Universitätsklinikum Wuppertal, reicht die derzeitige Versorgung nicht aus. „Für die Behandlung des LS bräuchte es idealerweise interdisziplinäre Teams oder spezialisierte LS-Zentren.“ Als Vorbilder nennt sie Einrichtungen in den Niederlanden, Dänemark und Großbritannien.

Auch für Betroffene selbst enthält die Leitlinie praktische Hinweise: Reizende Substanzen wie Seife sollten vermieden werden, zweimal täglich ist eine parfümfreie, fetthaltige Salbe aufzutragen. Kratzen verschlimmert die Symptomatik erheblich und sollte daher unbedingt unterlassen werden. Locker sitzende Kleidung, Baumwoll- oder Seidenwäsche sowie eine angepasste Sitzposition beim Sport wie Radfahren oder Reiten können Beschwerden lindern. Ergänzend kann der Austausch mit Patientinnen- und Patientenorganisationen hilfreich sein.

Was ist Lichen sclerosus?

Lichen sclerosus ist eine chronisch-entzündliche, nicht infektiöse Hauterkrankung im Genitalbereich, die vor allem Frauen, aber auch Männer und Kinder betreffen kann. Typische Symptome sind Juckreiz, Brennen, Rötungen und feine Risse; später entstehen elfenbeinfarbene Papeln und Plaques, die Haut wird dünner, verletzlicher und vernarbt.

Bei Frauen kann sich der Scheideneingang verengen, bei Männern häufig die Vorhaut. Dies führt zu Schmerzen, sexuellen Funktionsstörungen und psychischer Belastung. „Ängste und psychische Erkrankungen, depressive Phasen, der Verlust des Selbstwertgefühls – diese Begleiterscheinungen dürfen nicht übersehen werden“, betont Kirtschig.

Unbehandelt drohen ausgeprägte Vernarbungen und ein erhöhtes Risiko für anogenitale Karzinome. Eine frühzeitige Therapie mit hochpotenten topischen Glukokortikoiden kann das Fortschreiten stoppen und Beschwerden lindern. Für Lichen sclerosus gibt es bislang keine Heilung.

Die Ursachen sind bislang ungeklärt, zur Verbreitung gibt es nur Schätzungen; die Prävalenz variiert 0,1 und 3 Prozent bei Kindern und postmenopausalen Frauen. „Lichen sclerosus ist bei Medizinerinnen und Medizinern zu wenig bekannt. Daher ist die Therapie häufig mangelhaft“, kritisiert Kirtschig. Patientenschulung und eine enge Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen gelten als wesentliche Bausteine für eine bessere Versorgung und den Erhalt der Lebensqualität.