IQWiG

Kaum effektive Therapien bei Demenz Désirée Kietzmann, 11.09.2009 10:43 Uhr

Berlin - 

Noch immer gibt es keine Therapie, die Alzheimer Demenz entscheidend beeinflussen und damit dem schleichenden Vergessen langfristig Einhalt gebieten könnte. Zu diesem Schluss kommt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nach einer Analyse verschiedener Behandlungsmöglichkeiten. Die Wissenschaftler nahmen die Cholinesterasehemmer, Memantin und Ginkgo biloba unter die Lupe.

Am schlechtesten schnitt der NMDA-Rezeptorantagonist Memantin ab: Weder bei alltagspraktischen Fähigkeiten noch bei der kognitiven Leistung gebe es Belege für einen Nutzen. Zu der Frage, ob Memantin die Lebensqualität der Patienten verbessern kann, fanden die Wissenschaftler keine auswertbaren Daten. Unklar sei zudem, ob der Arzneistoff einen Einfluss darauf habe, wie lange Menschen mit Alzheimer Demenz noch zu Hause gepflegt werden können, teilte das IQWiG mit.

In den betrachteten sieben Studien mit knapp 2.000 Teilnehmern gab es keine auffälligen Arzneimittel-Risiken. Da die längste Untersuchung allerdings nur über 28 Wochen lief, ist laut IQWiG keine Aussage zu Risiken bei langfristiger Anwendung möglich. Kritik übte das Institut an den Herstellern Lundbeck (Ebixa) und Merz (Axura): Zwei relevante Studien hätten nicht in die Bewertung einfließen können, weil die dazu nötigen Daten nicht zur Verfügung gestellt wurden. Insgesamt sei die Studienlage zu Memantin „unzureichend“.

Einen positiven Effekt auf die kognitive Leistungsfähigkeit können dem IQWiG zufolge die Cholinesterasehemmer haben. So konnten sich Patienten, die einer Vertreter dieser Arzneistoffklasse über vier Monate eingenommen hatten, Dinge besser merken als Erkrankte in der Placebogruppe.

Ginkgo biloba scheint hingegen dabei zu helfen, den Alltag besser zu bewältigen. Allerdings ist dafür laut IQWiG eine ausreichend hohe Dosis von 240 Milligramm täglich notwendig. Die Größe des Effektes lasse sich anhand der Daten allerdings nicht ermitteln. Auch bei Studien zu nicht-medikamentösen Therapien sieht das Institut großen Nachholbedarf.

Das IQWiG hatte den Nutzen von Therapieoptionen bei Alzheimer Demenz im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) bewertet. Dieser wird nun über die weitere Erstattungsfähigkeit der Medikamente entscheiden. Wohin der Weg führen könnte, deutete IQWiG-Leiter Professor Dr. Peter Sawicki bereits an: „Solange nicht wissenschaftlich bewiesen ist, dass Therapien Patienten oder Betreuern einen spürbaren Vorteil bringen, ist es kaum zu rechtfertigen, sie weiter auf Kosten der Solidargemeinschaft zu verordnen.“

Der Memantin-Hersteller Merz reagierte mit Unverständnis auf den IQWiG-Bericht: „Mit seiner rein statistischen Betrachtung hat das Institut den klinischen Nutzen sowie die Praxiserfahrung von Ärzten, Patienten und Angehörigen bewusst ignoriert“, teilte Merz mit. Die Art der Auswertung werde der Komplexität und Besonderheit von Demenzerkrankungen in keiner Weise gerecht. Merz warnte vor Mehrkosten bei der Pflegeversicherung und Sozialhilfe, sollte der G-BA Memantin von der Erstattung ausschließen.