Infektionsforschung

RNA-Wecker für Salmonellen Dr. Kerstin Neumann, 11.02.2016 12:38 Uhr

Berlin - 

Wissenschaftler der Universität Würzburg haben einen neuen Ansatz entdeckt, Infektionen mit Salmonellen zu behandeln. Durch die Hemmung eines RNA-Moleküls konnten die Genexpression durcheinandergebracht und die Bakterien damit geschwächt werden. Mit Hilfe der sogenannten dualen Sequenzierung erhielten die Forscher außerdem erstmals einen konkreten Einblick, welche Gene im Verlauf einer Infektion in Erreger und Wirtszelle aktiviert werden.

Unter Leitung von Professor Dr. Jörg Vogel untersuchten die Wissenschaftler vom Institut für Molekulare Infektionsbiologie die Abläufe in den ersten Stunden nach einer Salmonellen-Infektion. Die Bakterien können schwere Lebensmittelvergiftungen auslösen. Sie werden mit der Nahrung aufgenommen und vermehren sich im Darm.

Um genauer zu verstehen, was in befallenen Wirtszellen passiert, infizierten die Forscher menschliche Zellen mit dem Erreger Salmonella typhimurium. Zu unterschiedlichen Zeitpunkten isolierten sie die komplette Ribonukleinsäure (RNA) aus den befallenen Zellen, also die vom Bakterium und Wirt zusammen. Einerseits sollte gezeigt werden, welche seiner rund 5000 Gene Salmonella zu verschiedenen Phasen der Infektion an- oder abschaltet. Gleichzeitig wollten die Forscher herausfinden, wie die mehr als 40.000 Gene der Wirtszelle auf den Eindringling reagieren.

Bei ihrer Analyse fiel den Forschern ein bakterielles RNA-Molekül namens PinT auf, von dem Salmonella während einer Infektion mehr als 100-mal häufiger produziert als normalerweise. PinT gehört zu einer speziellen Gruppe bakterieller RNAs, den sogenannten small RNAs. Die kleinen Moleküle codieren selbst keine Gene, sondern sind für die Regulierung der Genexpession des Bakteriums zuständig. Sie binden an Proteine oder mRNA und verändern deren Aktivität.

Um zu klären, welche Rolle das Molekül während der Infektion spielt, stellten die Forscher eine Salmonella-Mutante her, die kein PinT produzieren kann, und untersuchten die Auswirkungen auf die Genexpression des Bakteriums. Das Ergebnis: Das abgeschaltete RNA-Molekül veränderte die Aktivität einer ganzen Reihe bakterieller Gene, insbesondere die der sogenannten Virulenzfaktoren. Diese sind beispielsweise für die Invasion des Bakteriums in die Wirtszelle nötig. Weil die Produktion viel Energie kostet, setzen Bakterien Virulenzfaktoren nur dann frei, wenn sie wirklich benötigt werden. Auch minimieren die Erreger damit ihr Risiko, vorzeitig vom Immunsystem entdeckt zu werden.

PinT sorgt dabei offenbar für das richtige Timing in der Freisetzung der Virulenzfaktoren. Ohne das Molekül veränderte sich das Expressionsmuster deutlich. Diese Verschiebung hatte wiederum massive Auswirkungen auf die Wirtszelle. Fast jedes zehnte Wirtsgen wurde im Vergleich zu einer normalen Infektion entweder vermehrt oder seltener abgelesen. Die Folge: Immungene wurden deutlich stärker aktiviert als sonst, die Infektion konnte durch die Wirtszelle besser abgewehrt werden.

Für die Forscher haben die Ergebnisse gleich in mehrerer Hinsicht Bedeutung: Zum einen sei es durch die Methodik der dualen RNA-Sequenzierung erstmals möglich, Krankheitserreger und Wirtszellen gemeinsam und ohne vorherige Aufarbeitung zu untersuchen. Damit könne die Forschung preisgünstiger, einfacher und genauer durchgeführt werden als bisher. Außerdem können nun erstmals komplexe Kausalketten im zeitlichen Verlauf einer Infektion nachvollzogen werden, so die Wissenschaftler. Das schaffe auch mögliche Angriffspunkte für neue Arzneimittel.