Fettgewebe als endokrines System

Immunsystem: Risikofaktor Adipositas Sandra Piontek, 02.09.2022 15:08 Uhr

Dicke Beine stehen auf der Waage.
Adipositas beeinflusst die Funktionsweise des Immunsystems negativ. Foto:shutterstock.com/ValenteRomero
Berlin - 

Viszerales Fettgewebe ist bei normal Gewichtigen mitverantwortlich für die Abwehr von Infekten. Adipozyten beeinflussen Abwehrzellen und sind Energielieferanten für das Immunsystem des Körpers. Das empfindliche Zusammenspiel des stoffwechselaktiven und hormonproduzierenden Gewebes, gerät durch Adipositas ins Schwanken.

Viszeralfett, im Bauchinneren eingelagert, ist sehr stoffwechselaktiv. Es setzt Fettsäuren frei, sondert entzündungsfördernde Botenstoffe ab und schüttet Hormone aus. Bei starkem Übergewicht können Organe wie Leber und Bauchspeicheldrüse in ihrer Arbeit beeinträchtigt werden. Adipositas geht zudem einher mit einer systemischen, niedriggradigen Entzündung. Risikofaktoren für chronische Erkrankungen werden dadurch erhöht. Für das Immunsystem bedeutet das, dass die Funktion der zirkulierenden Immunzellen verändert werden kann. Die T- und B-Zellaktivität ist reduziert. T-Zellen sind unter anderem für die Abtötung von infizierten Körperzellen verantwortlich. B-Zellen sind fähig, Antikörper gegen Krankheiten zu bilden. Bei adipösen Menschen ist zusätzlich die Phagozytose durch Monozyten und Granulozyten ist gesteigert, heißt im Körper herrscht eine Entzündung. Weiterhin erhöht sich die Anzahl von Leukozyten mit steigendem Übergewicht. Sind die weißen Blutkörperchen erhöht, gilt dies ebenfalls als Indikator für entzündliche Prozesse.

Mikrobiom aus dem Gleichgewicht

Eine weitere Ursache, warum Adipositas das Immunsystem negativ beeinflusst, könnte die Störung des Gleichgewichts im Mikrobiom sein. Verursacht wird diese durch eine zucker- und fettreiche Ernährung. Die Milliarden von Bakterien, die normalerweise im Körper und auf der Haut vorkommen, spielen vermutlich eine wichtige Rolle bei der Wundheilung und Erregerabwehr.

Die Ursachen einer gestörten Immunreaktion bei Menschen mit Adipositas untersucht der Erlanger Immunologe Dr. Christian Schwartz. Die Forscher:innen seines Teams fokussieren sich dabei auf die Typ2-Immunantwort. Eine bisher, bei stark Übergewichtigen, kaum erforschte Immunreaktion, die für die Abwehr und Wundheilung besonders wichtig ist. Die Projektgruppe erforscht die Grundlagen der Immunabwehr am Modell von adipösen Mäusen. Es werden Daten erhoben zur Immunantwort anhand von Heilungsprozessen von geschädigtem Gewebe, welche Immunzellen produziert werden, wie Erreger eliminiert werden und wie sich das auf das Gewicht der Tiere auswirkt.

Versorgung adipöser Patient:innen

Die Forscher:innen untersuchen, auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse, danach das Wechselspiel zwischen dem Mikrobiom und den Immunzellen. Inwieweit die Daten auf Menschen übertragbar sind, prüft die Gruppe anhand von Haut-, Fettgewebe-, Blut- und Stuhlproben von Gesunden und Übergewichtigen. Interessant ist vor allem, wie gut sich die Abwehrzellen und die Wundheilung durch Veränderung des Mikrobioms stimulieren lassen.

„Auf der Grundlage unserer Arbeiten könnten beispielsweise Strategien entwickelt werden, wie adipöse Patientinnen und Patienten vor einer Operation versorgt werden müssen, um ihre Typ2-Immunität zu stärken und damit die Wundheilung zu verbessern und das Risiko von Wundinfektionen zu verringern“, erläutert Projektleiter Dr. Christian Schwartz den Nutzen des Forschungsprojektes für Betroffene.