Verwechslung ist lebensgefährlich

Hormonmangel: Ist verstärkter Flüssigkeitsbedarf ein Hinweis? Sandra Piontek, 22.11.2023 14:43 Uhr

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt als Richtwert 1,5 Liter Flüssigkeit pro Tag. Foto: Naypong Studio-stock.adobe.com
Berlin - 

Ausreichend trinken! Eine gängige Empfehlung, die wohl jeder schon gehört hat. Dabei hängt die empfohlene Trinkmenge von verschiedenen Faktoren wie Alter, Gesundheitszustand sowie der täglichen körperlichen Aktivität ab. Werden mehr als drei Liter am Tag getrunken, kann das auch ein Hinweis auf eine Hormonstörung sein.

Viele Menschen trinken eher zu wenig anstatt zu viel. Vermehrtes Durstgefühl kann einerseits ein Hinweis auf Diabetes mellitus sein, in manchen Fällen kann übermäßiges Trinken aber auch auf eine seltene Hormonstörung hinweisen. Werden bei normaler körperlicher Aktivität mehr als drei Liter täglich getrunken, sollte eine ärztliche Untersuchung in Betracht gezogen werden, um eine harmlose Gewohnheit von einer Erkrankung zu unterscheiden.

Hormonmangel

Denn: Hinter der hohen Flüssigkeitsaufnahme kann in seltenen Fällen ein Mangel des Hormons Vasopressin stecken. Der Neurotransmitter der Hirnanhangdrüse steuert den Wasser- und Salzgehalt im Körper. Liegt ein Vasopressin-Defizit vor, so können Betroffene den Urin nicht konzentrieren und verlieren deshalb große Mengen an Flüssigkeit. Die Folge ist ein starkes Durstgefühl.

Die „harmlose“ Form des Vieltrinkens sollte deshalb vom Vasopressin-Defizit abgegrenzt werden: Vieltrinker:innen werden verhaltenstherapeutisch begleitet, um die Trinkmenge langsam zu reduzieren. Personen mit einem Vasopressin-Defizit erhalten hingegen das Hormon Vasopressin. Eine Supplementierung des Hormons bei fehlender Erkrankung kann schlimmstenfalls zu Tod führen.

Test per Salzinfusion

Die beiden Forschungsgruppenleiterinnen Dr. Mirjam Christ-Crain und Dr. Julie Refardt, Forscherinnen am Universitätsklinikum Basel, haben zusammen mit mehreren nationalen und internationalen Zentren intensiv an Testmethoden zur Unterscheidung der besagten Krankheitsbilder geforscht. Einer der Tests stimuliert die Vasopressin-Ausschüttung mittels einer Salzinfusion. Dieser gilt als sehr zuverlässig: „Allerdings sind wegen des starken Salzanstiegs eine ständige Überwachung und halbstündliche Salzmessungen im Blut der Patientinnen und Patienten notwendig“, so Christ-Crain.

Auch mittels Arginin-Infusion könne man sehr zuverlässig zu einer Diagnose gelangen, so die Expertin. Die bedingt essentielle Aminosäure stimuliert ebenfalls die Ausschüttung von Vasopressin.

Die beiden genannten Tests wurden durch Christ-Crain und Refardt miteinander verglichen und die Ergebnisse im „New England Journal of Medicine“ publiziert. Laut der Analyse mit insgesamt 158 Teilnehmenden konnte belegt werden, dass:

  • mittels Salzinfusion über 95 Prozent der Patientinnen und Patienten richtig diagnostiziert wurden.
  • mittels Arginin-Infusion konnten nur etwa 75 Prozent korrekt diagnostiziert werden.

„Angesichts dieser Ergebnisse empfehlen wir den Salzinfusions-Test als Goldstandard für eine zuverlässige Unterscheidung zwischen Polydipsie und Vasopressin-Defizit“, so Refardt.