HIV/AIDS

HIV: Impfstoff-Studie gestartet Dr. Kerstin Neumann, 12.10.2015 13:43 Uhr

Berlin - 

Robert Gallo ist unter Virologen ein berühmter Mann. Der 78-jährige Forscher hat das erste bekannte Retrovirus überhaupt identifiziert und ist außerdem einer der Entdecker des HI-Virus. Jetzt könnte ihm ein weiterer Durchbruch gelungen sein: Ein in seinem Labor entwickelter Impfstoff gegen HIV geht ins klinische Studienprogramm.

Seit Gallos Entdeckung im Jahr 1984 sind mehr als 100 verschiede Impfstoffe gegen HIV getestet worden. Nicht einer davon hat es bis zur Marktreife geschafft. Bevor Gallo selbst sich mit seinem Impfstoff an ein klinisches Studienprogramm wagte, untersuchte er mit seiner Gruppe den Mechanismus bis ins kleinste Detail. „Wir wollten mehr und mehr Antworten finden, bevor wir Studien am Menschen starten konnten“, sagt Gallo.

Der neue Impfstoff soll das Virus daran hindern, überhaupt in die menschlichen Zellen eindringen zu können. Bei der Infektion der Zelle bindet zunächst das viruseigene Oberflächenprotein gp120 an den CD4-Rezeptor weißer Blutzellen. Dabei verändert das Protein seine Struktur und zunächst „versteckte“ Teile des Virus treten an die Oberfläche. Diese binden an einen zweiten Rezeptor namens CCR5. Erst wenn das Virus an beide Rezeptoren angedockt hat, kann es in die Zelle penetrieren.

Der Impfstoff aus Gallos Labor enthält einen Protein-Komplex mit einem hochkonservativen Teil von gp120 und stimuliert die Bildung spezifischer Antikörper. Diese binden an das viruseigene Protein, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, in dem Strukturänderung des Virus stattfindet. Diese wird unterbrochen. Dadurch kann das Virus nicht auf den zweiten Rezeptor zugreifen und eine Zellinfektion bleibt aus.

Das Besondere an Gallos Studien: Er konnte zeigen, dass die Dosis einen starken Einfluss auf den Effekt hat. Zu hohe Dosen induzieren nämlich eine Immunantwort der T-Zellen, welche offenbar selbst gegen den Impfstoff vorgehen. Eine wiederholte, niedrig dosierte Verabreichung des Impfstoffes umgeht dieses Problem. In Studien an Affen konnte eine hohe Antikörper-Produktion gezeigt werden.

15 Jahre dauerte die Entwicklung an der University of Maryland. Gallo gründete das Institut für humane Virologie (IHV) in Baltimore, dem er bis heute als Geschäftsführer vorsteht. Finanziell unterstützt wurde das Forschungsprogramm unter anderem von der Bill & Melinda Gates Stiftung. Das Biotech-Unternehmen Profectus, ein Spin-off des IHV, startet nun die erste klinische Phase-I-Studie mit 60 Probanden.

Bisher hatte sich die Suche nach einem HIV-Impfstoff vor allem deshalb als schwierig erwiesen, weil sich das HI-Virus ständig verändert. Zuletzt hatte Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) einen Rezeptor identifiziert, durch den Zellen des Immunsystems das HI-Virus erkennen können.