Gedächtnisprobleme nach Covid-19 sind objektiv messbar 19.07.2025 09:11 Uhr
Eine Forschungsgruppe am Campus Heidelberg der SRH University zeigt in einer groß angelegten Online-Studie, dass eine Covid-19-Erkrankung mit spezifischen Gedächtnisproblemen einhergehen kann. Betroffen ist vor allem die Fähigkeit, ähnliche Erinnerungen auseinanderzuhalten – unabhängig von Alter, Geschlecht und Vorbelastung.
Viele Betroffene berichten nach einer Sars-CoV-2-Infektion von Gedächtnisproblemen, Konzentrationsschwierigkeiten sowie depressiven und stressbedingten Symptomen. Frühere Studien stützten sich jedoch oft auf subjektive Angaben, obwohl diese häufig nicht mit objektiven Testergebnissen übereinstimmen. Deshalb untersuchte die Studie die langfristigen kognitiven Folgen einer Covid-19-Erkrankung, vor allem im hippocampusabhängigen Gedächtnis. Ziel war es, diese Zusammenhänge anhand objektiver experimenteller Daten zu überprüfen und die zugrunde liegenden neurokognitiven Mechanismen zu erforschen.
Hippocampusspezifische Gedächtnisdefizite
In der Online-Studie der SRH-University wurden rund 1500 Erwachsene zwischen 18 und 90 Jahren getestet, darunter Personen mit bestätigter Sars-CoV-2-Infektion und eine nicht infizierte Kontrollgruppe. Sie absolvierten standardisierte Tests zu Aufmerksamkeit, exekutiven Funktionen und Gedächtnis sowie Fragebögen zu Depressivität, Angst, Stress und Wohlbefinden.
Im Mittelpunkt stand der Mnemonic Similarity Task, der die Wiedererkennung identischer Reize und die Unterscheidung ähnlicher, aber nicht identischer Reize prüft. Die Fähigkeit, ähnliche Reize zu unterscheiden, wird mit dem Lure Discrimination Index gemessen. Dieser ist besonders sensibel für Prozesse im Gyrus dentatus des Hippocampus, der dabei hilft, ähnliche Gedächtnisinhalte voneinander abzugrenzen. Ein Lure ist ein Reiz, der einem zuvor gesehenen sehr ähnlich, aber nicht identisch ist – also ein möglicher Verwechslungsreiz.
Die Ergebnisse zeigen, dass ehemals an Covid-19 Erkrankte eine deutlich geringere Fähigkeit zur Unterscheidung ähnlicher Inhalte hatten als die Kontrollgruppe – unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildung oder psychischer Verfassung. Das deute auf eine beeinträchtigte Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus hin, die zu Gedächtnisproblemen beitragen kann.
Die Wiedererkennung identischer Reize blieb unverändert, was die Spezifität der Defizite im hippocampusabhängigen Gedächtnis bestätigt. Infizierte stuften ähnliche Reize öfter fälschlich als bekannt ein – ein Hinweis auf verminderte Trennschärfe im Gedächtnis und veränderte Hippocampusfunktion.
Langzeitfolgen trotz Erholung nachweisbar
Andere kognitive Bereiche wie Aufmerksamkeit und exekutive Funktionen zeigten keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Gruppen. Eine Ausnahme war die Vorwärtsspanne im Corsi-Block-Tapping-Test: Dabei müssen sich die Teilnehmenden die Reihenfolge blinkender Kästchen merken und in gleicher Reihenfolge wiedergeben; Infizierte schnitten hier etwas schlechter ab.
Bemerkenswert ist laut des Forschungsteams, dass auch subjektiv genesene Personen weiterhin schlechter bei der Gedächtnisaufgabe abschnitten. Zudem nahm die Gedächtnisleistung mit wachsendem Abstand zur Infektion ab – entgegen der erwarteten Erholung. Je mehr Langzeit-Covid-Symptome eine Person angab, desto stärker war die Beeinträchtigung.
„Unsere Ergebnisse belegen erstmals in einer großen Stichprobe eindeutig eine spezifische Gedächtnisstörung nach einer Covid-19-Erkrankung, die nicht allein durch psychische Belastungen oder allgemeine körperliche Erschöpfung erklärt werden kann“, betont Professor Dr. Patric Meyer, Professor für Allgemeine und Neurokognitive Psychologie am Campus Heidelberg der SRH University und Studienleiter.
Die Wissenschaftler:innen aus Heidelberg vermuten, dass durch Covid-19 ausgelöste Entzündungen im Hippocampus die Neubildung von Nervenzellen stören und so die Gedächtnisfunktion beeinträchtigen. Das würde erklären, warum Betroffene noch Monate oder Jahre nach der Infektion unter kognitiven Beeinträchtigungen leiden – ein typisches Long-Covid-Symptom.
Die Studie mit dem Titel: „Insights on the neurocognitive mechanisms underlying hippocampus-dependent memory impairment in Covid-19“ wurde kürzlich im Fachmagazin Scientific Reports veröffentlicht.