Neuer Therapieansatz bei Hepatitis C

Flunarizin: Zelleintritts-Inhibitor bei HCV APOTHEKE ADHOC, 06.04.2019 09:41 Uhr

Neuer Angriffspunkt bei HCV-Therapie: Zelleintritts-Inhibitoren können verhindern, das das virale Erbgut in die Wirtszelle gelangt. Foto: Science Photo Library, Kateryna Kon
Berlin - 

In Deutschland leben etwa 300.000 Menschen mit chronischer Hepatitis C, weltweit sind es mehr als 70 Millionen. Unbehandelt können Leberzirrhose oder Tumore die Folgen sein. Derzeit bietet der Markt zwar spezielle Therapieoptionen, jedoch kann eine Resistenzentwicklung nicht ausgeschlossen werden. Das Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI) hat in Zusammenarbeit mit der Leibnitz Universität Hannover und dem Twincore (Einrichtung des HZI und der Medizinischen Hochschule Hannover) eine alternative Behandlungsmöglichkeit erforscht. Die Ergebnisse wurden im „Journal of Hepatology“ veröffentlicht.

Eine HCV-Infektion kann in fast jedem Fall geheilt werden. Für die Behandlung sind seit etwa fünf Jahren neue Wirkstoffe und Kombinationen (Sofosbuvir/Ledipasvir/Elbasvir/Velpatasvir/Glecaprevir/Pibrentasvir/GRazoprevir) auf dem Markt, die über acht oder zwölf Wochen eingenommen werden müssen. Die Arzneistoffe zielen entweder auf die virale NS3-Protease, das NSA5-Phosphoprotein oder die NS5B-Polymerase ab. „In welchem Ausmaß sich in Zukunft Resistenzen entwicklen, können wir bisher aber noch nicht gut abschätzen. Daher ist die Entwicklung alternativer Behandlungsstrategien weiterhin wichtig“, sagt Professor Dr. Thomas Pietschmann vom HZI.

In verschiedenen Studien konnten Wirkstoffe, die in anderen Indikationsgebieten zugelassen sind, eine Wirksamkeit gegen eine HCV-Infektion zeigen. Beispiele sind das Migränemittel Flunarizin oder das Antiallergikum Chlorzyklizin. Die Arzneistoffe fungieren als sogenannte Zelleintritts-Inhibitoren und verhindern, dass das Erbgut der Viren in die Wirtszellen eindringt und sich so vermehren kann. Am effektivsten haben sich die Zelleintritts-Inhibitoren bei Viren des Genotyps 2 erwiesen – es gibt sieben verschiedenen Genotypen.

Um herauszufinden, wo die Arzneistoffe ansetzen und wie sie wirken, haben die Forscher die Viren Stück für Stück genetisch verändert und untersucht, ob diese auf den Wirkstoff ansprechen. „So konnten wir eine kleine spezifische Region in der Virushülle ausmachen, mit der der Wirkstoff offenbar interagiert“, sagt der Erstautor der Studie, Dominic Banda. „Wie ein Keil im Getriebe verhindert er die Fusion der Virushülle mit der Zellmembran.“ Außerdem konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Region auf der Virushülle auch den pH-Wert für die Membranfusion bestimmt.

In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern vom Institut für Organische Chemie um Professor Dr. Andreas Kirschning und dem Biomolekularen Wirkstoffzentrum (BMWZ) konnten strukturell verwandte Verbindungen von Flunarizin entwickelt und deren Wirksamkeit gegenüber HCV untersucht werden. Auch Verbindungen des Calcium-Antagonisten in ähnlicher Struktur waren als Zelleintritts-Inhibitoren wirksam. „Dabei stellte sich eine Substanz – genauer p-Methoxy-Flunarizin – als besonders wirksam heraus“, teilt das HZI mit.

Weitere Untersuchungen sollen nun zeigen, ob und wie die Zelleintritts-Inhibitoren an das Virus binden. „Es ist wichtig, den Wirkmechanismus in Gänze zu verstehen, um passgenaue und hochwirksame Medikamente entwicklen zu können“, so Pietschmann. „Vielleicht sogar einen Wirktsoff mit multiplen Bindeeigenschaften, der auf mehrere Virusvarianten passt und breiter aktiv wäre – das wäre natürlich optimal.“

Das Virus kann über Rezeptoren mit der Zellmembran in Kontakt treten, woraufhin diese sich an der Andockstelle nach innen einstülpt und das Virus in einem Vesikel im Zellinneren abschnürt. Durch eine pH-Verschiebung in den sauren Bereich ändert sich die Struktur der Virushülle, sodass diese mit der Zellmembran verschmelzen kann und die Erbinformation des Virus in die Wirtszelle injiziert werden kann.