Große Hoffnung für sehr wenige Betroffene

EU-Zulassung für weiteres Alzheimer-Mittel 25.09.2025 14:54 Uhr

Brüssel - 

Für einen Teil der Menschen mit Alzheimer im Frühstadium gibt es in der EU eine weitere Behandlungsmöglichkeit. Die zuständige Europäische Kommission erteilte dem Antikörper Donanemab eine Marktzulassung, wie die Brüsseler Behörde mitteilte. Damit folgte sie der Empfehlung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA. In den USA, Japan, China und Großbritannien ist der Wirkstoff unter dem Produktnamen Kisunla bereits zugelassen.

Das Medikament kann Alzheimer weder stoppen noch heilen, sondern nur den Verlauf der Krankheit im Frühstadium etwas verlangsamen. Donanemab ist der zweite in der EU zugelassene Antikörper-Wirkstoff gegen Alzheimer. Erst im April hatte die EU-Kommission das ähnlich strukturierte Medikament Lecanemab (Handelsname Leqembi) unter strengen Auflagen zugelassen.

Genehmigung unter Bedingungen

Die Entscheidung für die Zulassung lege strenge Bedingungen für die Anwendung von Kisunla fest, hieß es seitens der Kommission. Es werde nur für Patientinnen und Patienten mit bestimmten genetischen Voraussetzungen als geeignet angesehen. Laut EMA-Experten dürfen die Betroffenen höchstens eine Kopie des ApoE4-Gens haben, das die Informationen zum Bau des Proteins Apolipoprotein E trägt.

Was ist das Besondere an Lecanemab und Donanemab?

Bisherige Alzheimer-Therapien behandeln nur Symptome der Krankheit, aber nicht ursächliche Prozesse im Gehirn. Das ist bei Lecanemab (Leqembi) und Donanemab (Kisunla) anders: Beide Antikörper richten sich gegen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn, die mit dem Absterben der Nervenzellen bei Alzheimer in Verbindung gebracht werden. Sie sollen bei Alzheimer im frühen Stadium den kognitiven Abbau etwas verlangsamen. Ein Verbesserung oder gar Heilung bringendes Mittel ist weiterhin nicht in Sicht.

Der Zulassungsprozess gestaltete sich jeweils zäh und langwierig, weil klinische Studien nur für eine sehr begrenzte Patientengruppe im frühen Stadium von Alzheimer einen kleinen klinischen Nutzen zeigen. Das Verfahren ist teuer, zudem besteht ein Risiko für im Einzelfall schwere Nebenwirkungen.

Wer kann die Wirkstoffe nutzen?

Geschätzt erfüllt nur etwa einer von 100 Menschen mit Alzheimer-Demenz alle Voraussetzungen für die Behandlung. „Vermutlich wird die Zahl eher niedriger sein“, nimmt Professor Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), an. Bei geschätzt etwa 1,2 Millionen Alzheimer-Erkrankten in Deutschland wären das weniger als 12.000 Menschen.

Grund ist vor allem, dass die Entfernung der Amyloid-Plaques nichts mehr bringt, wenn sie schon irreversible Schäden im Gehirn angerichtet haben. Die Antikörper sollen darum nur im frühen Stadium der Krankheit, bei nur leichter kognitiver Beeinträchtigung (Gedächtnis- und Denkstörungen) eingesetzt werden. Experten zählen dazu die ersten drei Jahre.

In Deutschland befinden sich aktuell schätzungsweise etwa 250.000 Menschen in dieser Frühphase. Die Mittel sollen zudem nur Alzheimer-Patienten bekommen, die keine oder maximal eine Kopie von ApoE4 haben, einer Variante des Gens für das Protein Apolipoprotein E. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit für Schwellungen und Blutungen im Gehirn im Zuge der Behandlung geringer als bei Menschen mit zwei ApoE4-Kopien.

Hinzu kommen weitere einschränkende Voraussetzungen, zum Beispiel dürfen keine Gerinnungshemmer eingenommen werden. Bei Frauen ist der beobachtete klinische Effekt der Behandlung zudem wohl noch geringer als bei Männern – das Risiko für Nebenwirkungen hingegen höher. Ob sie in der Bilanz überhaupt merklich profitieren, ist der Alzheimer Forschung Initiative zufolge noch unklar. Bei Frauen werde eine noch kritischere Nutzen-Risikoabwägung erfolgen müssen, sagt auch Berlit. Rund zwei Drittel aller Menschen mit Alzheimer sind Frauen.

Wie verläuft die Behandlung?

Zunächst wird diagnostisch abgeklärt, ob ein Patient überhaupt für die Behandlung infrage kommt. Alzheimer muss gesichert durch Biomarker-Tests nachgewiesen sein, gefolgt von einem genetischen Test zur ApoE4-Variante. Lecanemab wird dann alle zwei Wochen intravenös verabreicht, Donanemab alle vier Wochen.

Zur Risikominimierung mit Blick auf die möglichen Schwellungen und Mikroblutungen im Gehirn werden vor Beginn der Behandlung und auch später regelmäßig MRT-Scans durchgeführt, zusätzliche Scans bei Warnzeichen wie Kopfschmerzen, Sehstörungen und Schwindel.

Die Patientinnen und Patienten müssen also mobil und körperlich belastbar sein. Anzunehmen ist, dass sich ein Teil der potenziellen Nutzer diesem aufwendigen Prozedere nicht aussetzen möchte oder kann. Die meisten Alzheimer-Betroffenen sind älter als 80 Jahre, nur in seltenen Fällen beginnt die Krankheit vor dem 65. Lebensjahr.

Die Behandlung wird Berlit zufolge beendet, wenn sich die Alzheimer-Erkrankung merklich verschlechtert und in ein mittelschweres Stadium übergeht.

Was für ein Erfolg können Betroffene erwarten?

Die der Zulassung zugrunde liegenden Studiendaten weisen auf einen um einige Monate verzögerten kognitiven Abbau hin. Donanemab entfernt Berlit zufolge Ablagerungen etwas deutlicher als Lecanemab und könnte das Voranschreiten der Krankheit um bis zu sechs Monate verlangsamen.

Fraglich ist Experten zufolge, wie alltagsrelevant diese leichte Verzögerung ist. „Sobald das Vollbild einer Alzheimer-Erkrankung vorliegt, sind die statistisch beschriebenen Effekte für den Patienten und sein Umfeld zumeist nicht mehr wahrnehmbar“, hatte Walter Schulz-Schaeffer vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg zur Zulassung von Lecanemab gesagt.

Was kostet die Behandlung?

Den Preisvorstellungen der Hersteller zufolge könnten allein die Medikamente etwa 24.000 Euro jährlich pro Patient kosten, wie Berlit erklärt. Die Verhandlungen mit den Krankenkassen bezüglich Vordiagnostik, Durchführung der Therapie und vor allem Überwachung laufen demnach noch. Diese zusätzlichen Kosten könnten geschätzt bei etwa 10.000 Euro pro Patient und Jahr liegen.