Zulassung für Corona-Medikament

EMA empfiehlt Paxlovid dpa, 27.01.2022 15:11 Uhr

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat die bedingte Marktzulassung für das Corona-Medikament Paxlovid der Firma Pfizer empfohlen. Foto: Urban Images/shutterstock.com
Berlin - 

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat die bedingte Marktzulassung für das Corona-Medikament Paxlovid (Nirmatrelvir, Ritonavir) der Firma Pfizer empfohlen. Eine offizielle Zulassung durch die EU-Kommission gilt als sicher.

Paxlovid könne bei erwachsenen Patienten eine schwere Erkrankung nach einer Corona-Infektion verhindern, teilte die EMA am Donnerstag in Amsterdam mit. Nach der Zulassung ist es das erste Mittel, das Patienten zu Hause oral einnehmen können. Die Covid-Pille gilt als sehr effektiv, gerade bei Menschen mit Vorerkrankungen soll sie das Risiko von sehr schweren Krankheitsverläufen um 89 Prozent senken.

Nun muss die EU-Kommission der Zulassung noch zustimmen, das aber gilt als Formsache. „Das Sicherheitsprofil von Paxlovid war günstig und Nebenwirkungen im allgemeinen milde“, stellten die EMA-Experten fest. „Auf der Grundlage von Laborstudien wird erwartet, dass es auchc gegen Omikron und andere Varianten wirkt.“

Unklar ist noch, wann das Mittel auf Rezept bei der Apotheke zu kaufen ist. Nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wurden eine Million Packungen Paxlovid geordert. „Das Mittel eignet sich insbesondere für die Behandlung ungeimpfter Risikopatienten“, hatte er gesagt. Mit diesem Präparat sind dann insgesamt sieben Medikamente zur Behandlung von Covid-19-Patienten in der EU zugelassen.

Patienten nehmen nach Angaben des Herstellers über fünf Tage zwei Mal täglich jeweils drei Tabletten ein. Der Wirkstoff Nirmatrelvir soll ein Sars-CoV-2-Protein hemmen und dadurch die Vermehrung des Virus stoppen. Zu möglichen Nebenwirkungen gehören eine Beeinträchtigung des Geschmackssinns, Durchfall, Bluthochdruck und Muskelschmerzen. Das Mittel könnte aber die Wirkung anderer Medikamente beeinträchtigen, warnt die EMA.

Die Experten der EMA hatten bereits seit Längerem Daten aus Studien des Herstellers geprüft und Vorzüge und Risiken bewertet. Und die Behörde hatte auch bereits den EU-Mitgliedstaaten grünes Licht für eine nationale Notfallzulassung gegeben.

Der US-Hersteller spricht von einer „überwältigenden Wirksamkeit“. Die Daten zeigten, dass das Virostatikum das Risiko einer Krankenhauseinweisung oder eines Todesfalls im Vergleich zu Placebo um 89 Prozent innerhalb von drei Tagen nach Auftreten der Symptome beziehungsweise 88 Prozent innerhalb von fünf Tagen nach Auftreten der Symptome senkte, wobei in der Behandlungsgruppe keine Todesfälle beobachtet wurden. Die behandlungsbedingten unerwünschten Ereignisse waren zwischen der Wirkstoffgruppe (23 Prozent) und der Placebogruppe (24 Prozent) vergleichbar, wobei die meisten von ihnen leichter Natur waren. Die Daten wurden bei einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift mit Peer Review zur Veröffentlichung eingereicht.

Der neue Wirkstoff Nirmatrelvir ist ein gegen Sars-CoV-2 gerichteter Proteasehemmer. Er wurde für die orale Verabreichung entwickelt, so dass er nach erfolgter Zulassung bei den ersten Anzeichen einer Infektion verschrieben werden kann. Dies könnte Betroffenen helfen, eine schwere Covid-19-Erkrankung zu verhindern, die zu einem Krankenhausaufenthalt oder zum Tod führen kann. Der Wirkstoff, der aus der Pfizer-eigenen Forschung stammt, blockiert die Sars-CoV-2-3CL-Protease, ein für die Virusreplikation essenzielles Enzym.

Nirmatrelvir hat in Laboruntersuchungen eine konsistente antivirale Aktivität gegen die verschiedenen bekannten Mutationsvarianten von Sars-CoV-2, einschließlich Omikron, gezeigt. Es ist davon auszugehen, dass der Wirkstoff auch gegen Omikron eine robuste klinische antivirale Aktivität entfaltet.

Das Medikament könne das Virus an einer „verwundbaren Stelle“ treffen, sagte Daniel Kalanovic, Medizinischer Direktor bei Pfizer in Deutschland. „Der Wirkstoff blockiert eines der wichtigsten Enzyme, die das Coronavirus braucht, um sich zu vermehren.“ Er hoffe, dass damit auch der „Wendepunkt in der Pandemie“ erreicht werden könne.

„Die Zulassungsempfehlung für das Virostatikum kommt zu einem wichtigen Zeitpunkt, da Europa sich den anhaltenden Herausforderungen der Pandemie stellt und die Infektionsraten in vielen Ländern der Welt steigen“, sagte Pfizer-CEO Albert Bourla. „Wir sind stolz auf unsere starken Produktionsstandorte in Europa, die dieses Jahr die Produktion von bis zu 120 Millionen Behandlungszyklen für den Weltmarkt ermöglichen. Wir werden weiterhin eng mit den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um im Falle einer bedingten Marktzulassung durch die Europäische Kommission sicherzustellen, dass die Behandlung den Patientinnen und Patienten in ganz Europa so schnell wie möglich zur Verfügung gestellt werden kann."

EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides, begrüßte die Empfehlung der EMA. Dieses Medikament könne „einen wirklichen Beitrag zur Linderung der Folgen von Covid“ leisten.

„Wir haben nun eine neue Möglichkeit, erkrankten und gefährdeten Personen im Frühstadium einer Infektion zu helfen“, so Dr. Peter Liese, CDU-Europaabgeordneter und gesundheitspolitischer Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament. „Paxlovid hat in klinischen Prüfungen gezeigt, dass dann, wenn es richtig eingesetzt wird, fast 90 Prozent der schweren Verläufe verhindert werden können. Paxlovid ist eine Tablette, weshalb es auch in der Hausarztpraxis eingesetzt werden kann. Es verhindert die Verbreitung des Virus und ist insbesondere für Menschen hilfreich, von denen bekannt ist, dass sie eine schwache Immunantwort haben, also zum Beispiel Nierenkranke oder Krebspatienten, und im Falle einer Infektion mit einem hohen Risiko an einem schweren Verlauf erkranken. Die Zulassung von Paxlovid ist daher ein echter Hoffnungsschwimmer“, so der Arzt und Europaabgeordnete.

Liese mahnte jedoch, dass Paxlovid keinesfalls als Ersatz für eine Impfung betrachtet werden solle. „Das sind keine Smarties. Die Nebenwirkungen sind erheblich, insbesondere in Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Jeder der denkt, wegen der Nebenwirkungen durch Impfungen sollte man sich nicht impfen lassen, weil es ja jetzt auch ein Medikament gibt, liegt daher falsch. Die Impfung ist nach wie vor die wichtigste Maßnahme um schwere Verläufe zu verhindern und der Pandemie den Schrecken zu nehmen“, so Liese weiter.

Zudem verwies der Europaabgeordnete auf das Problem der Verfügbarkeit des Medikaments. Deutschland habe zwar 1 Millionen Medikamente bei Pfizer im Rahmen eines Vorvertrags vorbestellt, einen finalen Vertrag und Lieferzusagen gebe es aber noch nicht. „Leider gibt es weder von Seiten einzelner Mitgliedstaaten, noch von Seiten der Europäischen Kommission die sich ebenfalls in Verhandlungen mit Pfizer befindet, eine Bestätigung darüber, dass das Medikament nun auch zeitnah geliefert wird. In den Verhandlungen um die Impfstoffe hatte sich Pfizer im Sommer und Herbst 2020 als sehr hartnäckiger Verhandlungspartner gezeigt und teilweise das Haftungsrecht der EU in Frage gestellt. Da der Abschluss der aktuell laufenden Verhandlungen über die Lieferungen von Paxlovid entscheidend ist, um Patienten in Deutschland und der EU das Medikament wirklich zur Verfügung zu stellen, habe ich mich mit einem dringenden Appell an Pfizer Chef Albert Bourla gewandt. Ich hoffe, dass Kommission und Bundesregierung nach einer erfolgten Zulassung auch bei der Verfügbarkeit zeitnah Vollzug melden können“, so Liese.