Thüringer Corona-Untersuchungsausschuss

Drosten: Covid-Erstinfektion hinterließ wenig Immunität 11.11.2025 16:19 Uhr

Erfurt - 

Der Virologe Professor Dr. Christian Drosten war nach eigenen Worten verblüfft, wie wenig Schutz die Menschen nach einer ersten Corona-Infektion aufgebaut haben. „Mich hat das auch erstaunt, wie wenig Immunität eine einzelne Erstinfektion hinterlassen hat“, sagte der 53-Jährige im Thüringer Corona-Untersuchungsausschuss.

Er habe gehofft und sich gewünscht, dass die Immunität größer ausgefallen wäre – vor allem für Länder des Globalen Südens. „In Deutschland war klar, dass bei diesem Letalitätsprofil, also bei dieser starken Sterblichkeit bei Älteren und bei unserer alten Bevölkerung eine Durchseuchungsstrategie nicht denkbar ist“, sagte er.

In Ländern des Globalen Südens sei die Bevölkerung aber nicht so alt. „Da hatte ich gehofft, dass die Menschen schneller immun sind, wenn das Virus durchläuft.“ Dass das Virus aber so viele Jahre lang immer wieder in neuen Wellen auch in diesen Ländern grassierte, sei ihm nicht so klar gewesen. „Das habe ich in dem Ausmaß mir schöner, einfacher vorgestellt“, sagte der Virologe.

Der Thüringer Corona-Untersuchungsausschuss soll Fehler und Versäumnisse der Politik in der Corona-Pandemie aufklären und Handlungsempfehlungen für die Zukunft ableiten. Neben dem Untersuchungsausschuss gibt es im Freistaat noch eine Enquete-Kommission, die auf die Erfahrungen blicken soll, die in der Corona-Pandemie gesammelt wurden, und Handlungsempfehlungen für künftige Pandemie- oder sonstige Gesundheitskrisenlagen erarbeiten soll.

Abwarten wäre ein Fehler gewesen

Aus Sicht Drostens hätte ein längeres Zögern mit Corona-Maßnahmen in der ersten Infektionswelle der Pandemie viele Menschenleben in Deutschland gekostet. „Ich kann also deutlich sagen: Es wäre ein Fehler in der politisch-verantwortlichen Infektionskontrolle zu warten, bis das Gesundheitssystem erste Überlastungsanzeichen zeigt“, sagte Drosten im Thüringer Untersuchungsausschuss. Der 53-Jährige ist Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin und war im Thüringer Landtag als Sachverständiger geladen.

Drosten zeigte den Abgeordneten Daten zur ersten Infektionswelle in Großbritannien und in Deutschland. Demnach warteten die Briten mit dem Hochfahren der Infektionsschutzmaßnahmen drei Wochen länger als die Deutschen.

Der Virologe rechnete vor, dass es in Deutschland im betrachteten Zeitraum wohl rund 70.000 Tote gegeben hätte statt der rund 9.300, wenn es den Weg Großbritanniens gegangen wäre und mit Maßnahmen noch abgewartet hätte. Es seien also rund 60.000 Menschenleben gerettet worden.

In der gesamten Pandemie habe es etwas unter 180.000 Tote in Deutschland gegeben. „Wir hätten viel mehr erwarten müssen und haben viele, viele Menschenleben in dieser ersten Welle gerettet – alleine durch dieses frühe Eingreifen“, sagte Drosten.

Wieler: Keine „Pandemie der Ungeimpften“

Vor den Thüringer Corona-Untersuchungsausschuss war auch der frühere Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Professor Lothar Wieler, geladen. Nach seinen Worten habe es keine „Pandemie der Ungeimpften“ gegeben. „Im Robert Koch-Institut hatten wir nicht die Ansicht, dass es eine Pandemie der Ungeimpften ist.“ Für das RKI sei es keine korrekte Begrifflichkeit gewesen.

Spahn benutzte Begriff

Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte den Begriff verwendet – etwa im September 2021 bei Twitter: „Bei Inzidenz und auf Intensivstationen sehen wir: Wir erleben eine anwachsende Pandemie der Ungeimpften. Alle, die können, sollten sich ihren Schutz holen!“, schrieb Spahn damals. Inzwischen ist er Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.