Diabetes: Abnehmspritze für Kinder? 23.10.2025 14:53 Uhr
Kinder und Jugendliche in Deutschland sind immer häufiger von Übergewicht und Adipositas betroffen. Damit steigt auch das Risiko für Typ-2-Diabetes. Wie ernst die Lage ist, zeigt die Zulassung einer Abnehmspritze für Kinder ab 10 Jahren. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) fordert verbindliche, früh ansetzende Maßnahmen der Verhältnisprävention.
In Deutschland sind laut Robert Koch-Institut (RKI) 9,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren von Übergewicht und etwa 6 Prozent von Adipositas betroffen. Typ-2-Diabetes trat bei fast 1000 Jugendlichen im Alter von 11 bis 17 Jahren auf (Stand 2022). „Auch die Zulassung des GLP-1-Rezeptoragonisten Liraglutid für Kinder ab 10 Jahren zeigt, wie ernst die Lage ist“, so die DDG. Sie fordert „verbindliche, früh ansetzende Maßnahmen der Verhältnisprävention“.
Längere Krankheitsdauer, mehr Komplikationen
Heißt konkret: „Wirksame Werbeschranken für ungesunde Lebensmittel bis hin zu verbindlichen Standards für gesunde Schulverpflegung und Schulsport.“ Denn die Prävalenz von Typ-2-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen steige. „Ein früher Beginn bedeutet eine längere Krankheitsdauer, mehr Belastung und ein höheres Risiko für Komplikationen bereits im jungen Erwachsenenalter“, warnt Professor Dr. Karsten Müssig, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie und Diabetologie am Franziskus-Hospital Harderberg der Niels-Stensen-Kliniken. „Nur mit verbindlichen, früh ansetzenden Präventionsmaßnahmen können wir diesen besorgniserregenden Trend wirksam aufhalten.“
Lebensstil ändern
Eine ausgewogene Ernährung bleibe die Basis: „Sie verhindert Übergewicht, stabilisiert den Blutzucker, verbessert die Insulinwirkung und senkt den Medikamentenbedarf“, so Müssig. „Kurz gesagt: weniger Zucker und Fast Food, mehr Gemüse, Vollkorn und gesunde Fette – am besten mit Familienunterstützung.“
Medikamente würden bei Jugendlichen mit Typ-2-Diabetes aber ebenso eine Rolle spielen. „Eine Herausforderung sind die begrenzten Therapiemöglichkeiten – nur wenige Wirkstoffe wie Metformin oder Liraglutid sind derzeit für Kinder zugelassen“, erklärt der Experte. Der Wirkstoff Liraglutid ist in Deutschland inzwischen auch bei Kindern ab 10 Jahren zugelassen. Das sei ein Hinweis darauf, wie dringlich das Thema Typ-2-Diabetes bei jungen Menschen inzwischen geworden sei, so Müssig.
„Liraglutid, das ist für viele gleichbedeutend mit der bekannten Abnehmspritze. Dabei handelt es sich jedoch in erster Linie um ein Medikament zur Behandlung einer chronischen Stoffwechselerkrankung – und nicht um ein Mittel zur Gewichtsreduktion, womöglich aus kosmetischen Gründen“, betont er.
Das Problem: Für andere Medikamente fehlen bislang Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit im Kindesalter. „Wir müssen herausfinden, welche Therapien für Jugendliche langfristig sicher und wirksam sind. Solange dies nicht geklärt ist, bleibt die wichtigste Maßnahme: Prävention und Aufklärung, um die Krankheit gar nicht erst entstehen zu lassen“, so Müssig.
Verhältnisprävention wirkt
Es werde derzeit viel und gern über Prävention gesprochen, aber „die Politik zieht noch immer die falschen Schlüsse“, so Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz für Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und Geschäftsführerin der DDG. Es reiche nicht aus, an die Eigenverantwortung zu appellieren und auf Aufklärung oder Bildungsangebote zu setzen. „Wir brauchen verbindliche rechtliche Rahmenbedingungen, die die gesunde Wahl für Bürgerinnen und Bürger zur einfachen Wahl machen – unabhängig von Herkunft, Bildungsgrad oder Geldbeutel“, erklärt Bitzer.
Die DDG und das Wissenschaftsbündnis DANK fordern: Umfassende Maßnahmen, um Kinder und Jugendliche wirksam zu schützen. Diese umfassen die „Einschränkung von Werbung für ungesunde Lebensmittel, wenn diese sich an Kinder richtet, eine Herstellerabgabe auf stark zuckergesüßte Getränke und eine Mehrwertsteuerentlastung gesunder Lebensmittel, verbindliche Standards für die Schulverpflegung und mehr Bewegung in Schule und Alltag“.
Maßnahmen werden unterstützt
„Ein solches Maßnahmenpaket würde es allen Menschen in Deutschland erleichtern, sich gesund zu ernähren und mehr zu bewegen und könnte mehr Lebensjahre mit guter Lebensqualität garantieren – und Maßnahmen für eine gesündere Ernährung werden von der Bevölkerung klar unterstützt“, so Bitzer. Eine Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) macht deutlich:
- 9 von 10 Menschen befürworten die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel
- fast 9 von 10 sprechen sich für strengere Werbeschranken zum Schutz von Kindern aus
- 79 Prozent unterstützen eine Abgabe auf stark zuckerhaltige Getränke