Weniger Missbrauch & unerwünschte Wirkungen

Depressionen: Uni Wien forscht an Cathinon-Verbindungen Cynthia Wegner, 17.11.2022 14:40 Uhr

Cathinon-Verbindungen aus der Kath-Pflanze könnten als medikamentöse Therapie von Depressionen und Angststörungen in Betracht gezogen werden. Foto: Konevi/shutterstock.com
Berlin - 

Depressionen und Angststörungen sind mittlerweile weiter verbreitet als noch vor einigen Jahren. Oft gehen die medikamentösen Therapien mit Problemen einher: Neben der Gefahr des Medikamentenmissbrauchs treten bei den Patient:innen nicht selten schwerwiegende Nebenwirkungen auf, die die Compliance erschweren. Die MedUni Wien forscht daher an neuen Wirkstoffen, die ein besseres Profil aufweisen sollen. Ausgerechnet eine Verbindung aus der umstrittenen Kath-Pflanze ist dabei in den Fokus gerückt.

Für die Therapie von Depressionen und Angststörungen kommen verschiedene Wirkstoffklassen in Frage. Nicht immer kann damit eine zufriedenstellende Einstellung der Erkrankung erfolgen – oft kommen stattdessen sogar weitere Probleme in Form von unerwünschten Wirkungen hinzu. Eine Forschungsgruppe um Harald Sitte vom Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien hat daher nach Alternativen gesucht. Ihre Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal „Molecular Psychiatry“ veröffentlicht.

Verbindungen aus der Kath-Pflanze als Antidepressivum?

Das Team identifizierte bestimmte Substanzen aus der Familie der synthetischen Cathinon-Verbindungen für die Behandlung von psychischen Erkrankungen. Die sogenannten Cathinone leiten sich von dem in der Khat-Pflanze vorkommenden Cathin ab. „Diese Stoffe zeigten zunächst in unseren Zellmodellen und dann auch in unserem Tiermodell Effekte, die mit Serotonin assoziiert sind“, erklärt Sitte. Die Freisetzung von Serotonin erfolge dabei, ohne den Dopaminspiegel im „Belohnungszentrum“ des Gehirns wesentlich zu erhöhen. „Daraus resultiert, dass die von uns neu erforschten Wirkstoffe weniger anfällig für Missbrauch und Abhängigkeit machen, aber auch insgesamt weniger unerwünschte Wirkungen mit sich bringen.“

Substanzen, die den Botenstoff Serotonin erhöhen, werden bereits zur Therapie eingesetzt, beispielsweise in Form von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI): Sie blockieren die Wiederaufnahme von Serotonin aus dem synaptischen Spalt, wodurch die Menge an Serotonin im extrazellulären Raum erhöht wird. Neue, in der klinischen Prüfung befindliche Serotonin-freisetzende Substanzen, werden jedoch kritisch gesehen, da sie ein hohes Potenzial für Missbrauch und schädliche Nebenwirkungen mit sich bringen.

Ein klassisches Beispiel ist 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin – besser bekannt unter dem Namen MDMA oder als die Partydroge „Ecstasy“. „Unsere Untersuchungen zeigen die ersten Vertreter einer neuen Serotonin-freisetzenden Wirkstoffklasse, bei der verschiedene unerwünschte Effekte ausgeschlossen werden können“, fasst Studienleiter Harald Sitte die Ergebnisse der Studie zusammen.

Cathinon als leichtes Rauschmittel

Die Kath-Pflanze kommt in Äthiopien, Somalia, Kenia und im Jemen relativ häufig vor und wird auch als „Abessinischer Tee“ bezeichnet. Die Blätter des Strauchs werden als leichtes Rauschmittel konsumiert, da sie eine anregende Wirkung besitzen. Der Inhaltsstoff Cathin zählt chemisch gesehen zu den Amphetaminen, welche schnell über die Mundschleimhaut aufgenommen werden. Außerdem sind Norephedrin und Cathinon enthalten. Die Verbindung Cathinon unterliegt in Deutschland aktuell dem Betäubungsmittelgesetz.