Viele Patient:innen sind nicht versorgt

Chronische Kopfschmerzen: Chaos in der Versorgung Cynthia Möthrath, 24.08.2022 17:01 Uhr

Die Behandlung von Kopfschmerzen ist komplex – viele Patient:innen werden nicht ordnungsgemäß versorgt. Foto: Artem Furman/shutterstock.com
Berlin - 

Kopfschmerzen gehören auch in der Apotheke zu den häufigsten Beratungsthemen. Oft werden die Beschwerden in der Selbstmedikation behandelt – obwohl vor allem bei speziellen Kopfschmerzformen wie der Migräne wirksame Rx-Alternativen oder gar Prophylaxen zur Verfügung stehen, die verordnet werden können. Dennoch sind viele Patient:innen mit Kopfschmerzen nicht optimal versorgt. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) will das ändern.

Noch immer werden Kopfschmerzen häufig als Bagatelle abgetan. Dabei handelt es sich aktuellen Zahlen zufolge um eine regelrechte Volkskrankheit, die je nach Ausmaß massive Auswirkungen auf die Lebensqualität haben kann. Denn sie tritt vor allem in den produktivsten Lebensjahren auf und stört sowohl Familien- wie auch Berufsleben. Schätzungen zufolge leiden allein in Deutschland mehr als zwölf Millionen Menschen an chronischen Kopfschmerzen. Erste Ansprechpartner bei häufigeren Beschwerden sind meist Hausärzt:innen.

Chronifizierung von Kopfschmerzen vermeiden

Doch die Primärversorgung von Patient:innen sei undurchsichtig, erklärt Dr. Michael Küster, Schmerzmediziner und Vizepräsident der DGS – es herrsche regelrechtes „Chaos in der Versorgung“. Die DGS hat deshalb eine Initiative ins Leben gerufen, die die Versorgung von Patient:innen mit chronischem Kopfschmerz verbessern soll. Unter anderem soll die Chronifizierung von Kopfschmerzen sowie ein Substanzfehlgebrauch vermieden werden. Denn häufig kommt es durch mangelnde oder falsche Behandlung zu einer Chronifizierung des Schmerzes.

Vor allem bei Patient:innen mit Migräne seien die Defizite gravierend, so Professor Dr. Hartmut Göbel, Chefarzt der Schmerzklinik Kiel. Fast 40 Prozent der Betroffenen würden die Kriterien für eine prophylaktische Therapie erfüllen, nur rund 12 Prozent würden sie jedoch erhalten. Laut der Studie CaMEO (Chronic Migraine Epidemiology and Outcomes) erreichen weniger als 10 Prozent der Migränepatient:innen gute medizinische Ergebnisse. In der Praxis würden Patient:innen oft zur Selbstmedikation greifen, von Ärzt:innen würden nur selten entsprechende Medikamente wie Triptane, Betablocker oder Prophylaxen verordnet. Vor der Zuweisung an Spezialist:innen würden oft Jahre vergehen.

Mangelndes Wissen bei Ärzt:innen & Patient:innen

„Die Gründe sind vielfältig“, so Göbel. Die wichtigste Ursache sei mangelndes Wissen sowohl bei Ärzt:innen als auch bei Patient:innen. Wichtige Schritte in Richtung einer besseren Versorgung seien der Migräne-Spezialversorgungs-Vertrag sowie eine digitale Therapiebegleitung beispielsweise per App. Die DGS wünscht sich eine Optimierung – unter anderem durch den gezielten Einsatz moderner Therapieoptionen wie CGRP-Antikörper, Gepante & Ditane, sowie DIGAs oder Online-Schulungen. Sowohl die Akuttherapie wie auch die Prophylaxe sei mittlerweile unglaublich komplex und verfüge über zahlreiche Möglichkeiten, so Göbel.

Außerdem sei die Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich Kopfschmerz und Migräne ein wichtiger Baustein. Ziel der DGS-Initiative chronischer Kopfschmerz ist es, die Versorgung in der Breite zu verbessern. „Eine solche Volkserkrankung muss in der Fläche besser versorgt werden“, meint Dr. Johannes Horlemann, Präsident der DGS. Es gehe darum, die Wahrnehmung von Kopfschmerzen zu verbessern und den Zugang zu modernen Therapieoptionen flächendeckend zu erleichtern.

Seit August läuft der von der DGS ins Leben gerufene Arbeitskreis Kopfschmerz, welcher unter anderem von Novartis und Teva unterstützt wird. Künftig sollen auch verschiedene Fachgesellschaften eingebunden werden. Neben dem Update der DGS-Praxisleitlinie Kopfschmerzerkrankungen soll auch ein Praxisleitfaden für Basisversorger:innen entwickelt werden, sowie verschiedene Fortbildungsprojekte das Wissen rund um Kopfschmerzen verbessern.