Chikungunya: Bedrohung nimmt zu 03.09.2025 09:18 Uhr
Chikungunya breitet sich stark aus, die Übertragung durch Tigermücken ist längst auch in Europa möglich. Dies zeigen aktuelle Ausbrüche in Südfrankreich und Italien. Weltweit sind laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa fünf Milliarden Menschen potenziell exponiert. Umso wichtiger ist die Prävention durch geeignete impfstoffe wie Ixchiq (Valneva). Während die US-Arzneimittelbehörde FDA die Zulassung gerade ausgesetzt hat, wurde in Europa eine entsprechende Einschränkung aufgehoben.
Das Chikungunya-Virus breitet sich zunehmend aus, auch in Europa. In Frankreich wurden zuletzt über 150 Fälle gemeldet, auch Italien verzeichnet wiederholt autochthone Ausbrüche. Brasilien meldete 2024 sogar 420.000 Erkrankungen. Mit Ixchiq steht nun erstmals ein Lebendimpfstoff gegen das Virus zur Verfügung. Die Infektionsexperten Dr. Markus Kirchner, Director Medical Affairs Vaccines bei CSL Seqirus, und Dr. Tino Schwarz, Chefarzt am Juliusspital in Würzburg, machen deutlich, welche Chancen und Herausforderungen der neue Impfstoff mit sich bringt – und welche Rolle Apotheken spielen können.
Altersbeschränkung aufgehoben
Kirchner erläutert die aktuelle regulatorische Lage: „Ixchiq ist ab 12 Jahren zugelassen, zur Zeit jedoch nur bis 65 Jahre. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hatte die Altersfreigabe zeitweise ausgesetzt, weil Nebenwirkungsmeldungen aus dem französischen Gebiet La Réunion untersucht wurden und es vermehrt zu Nebenwirkungen bei älteren und vorerkrankten Menschen kam. Diese Einschränkung wird aufgehoben – wir erwarten in Kürze eine neue Fachinformation ohne Altersgrenze.“
In den USA hingegen hat das „FDA Center for Biologics Evaluation and Research“ (CBER) gerade die Lizenz für den Impfstoff Ixchiq (Valneva) ausgesetzt. „In Deutschland haben wir jedoch eine andere Situation, die Aussetzung betrifft nur die USA“, betont Schwarz.
Zur aktuellen Ausbreitungslage erklärt Schwarz: „Das Virus war ursprünglich vor allem durch Aedes aegypti verbreitet. Seit einer Mutation 2005/2006 wird es auch von der Tigermücke Aedes albopictus übertragen – und die ist inzwischen in Europa heimisch.“ Besonders Südeuropa sei betroffen. „Frankreich kämpft mit kleineren Ausbrüchen, Italien kennt das Problem schon länger. In Brasilien sprechen wir von Hunderttausenden Fällen, in China läuft aktuell ein größerer Ausbruch.“ Laut WHO seien weltweit rund fünf Milliarden Menschen potenziell exponiert, erklärt er.
Auch an Chikungunya denken
Apotheken erleben seither oft die Alltagssorgen der Reisenden. Entweder kommen Patient:innen in die Offizin und fragen: „Mich hat eine Tigermücke gestochen – was jetzt?“ Oder sie wollen in Kürze in den Urlaub fahren und vorbereitet sein. „Wenn nach dem Stich keine Symptome auftreten, ist das unproblematisch. Entwickeln sich jedoch Gelenkschmerzen oder Fieber, muss unbedingt die Diagnostik erfolgen – serologisch oder per PCR. Das Problem ist, dass viele Hausärzte die Krankheit noch gar nicht auf dem Schirm haben.“
Auch im Hinblick auf einen anstehenden Urlaub sei wichtig: „Für Reisende in Endemiegebiete empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) die Impfung mit Ixchiq“, so die Experten. Wichtig sei: „Spätestens zwei Wochen vor der Abreise sollte geimpft werden, dann besteht schon während des Aufenthalts ein sehr guter Schutz“, sagt Schwarz. Kirchner ergänzt: „Gerade in der Reisemedizin ist es wichtig, frühzeitig zu planen. Wer erst am Vorabend des Abflugs kommt, ist für Chikungunya – und andere Impfungen – schlicht zu spät dran.“
Geringe Nebenwirkungen, langer Schutz
Zu den Nebenwirkungen betont Kirchner: „Wie bei anderen Impfungen treten auch bei Ixchiq lokale Reaktionen wie Rötung oder Schwellung sowie gelegentlich Fieber auf. Schwerere Nebenwirkungen wurden in den klinischen Studien nicht häufiger als unter Placebo beobachtet.“ Da es sich um einen Lebendimpfstoff handele, seien die Reaktionen etwas ausgeprägter – dafür ist der Schutz voraussichtlich langfristig.“ Schwarz ergänzt aus der Praxis: „Manche Patienten wollen nach der Impfung sofort wieder Sport machen. Das ist zwar nicht gefährlich, aber sinnvoll ist es, ein bis zwei Tage körperliche Belastung zu reduzieren.“
Zur Schutzdauer liegen bisher Daten über drei Jahre vor, erklärt Schwarz: „Die Studie läuft über zehn Jahre. Wir gehen davon aus, dass der Schutz lange anhält, wie bei anderen Lebendimpfungen.“ Für Kombinationsimpfungen – etwa mit Grippe oder Covid-19 – gibt es bislang keine Studiendaten. In der Praxis würden Ärzt:innen jedoch häufig Impfungen bündeln, um die Beratung effizienter zu gestalten.
Erstattung durch Krankenkassen
Ein wichtiger Punkt für die Apothekenkundschaft sei die Kostenübernahme. „Die Stiko hat eine Empfehlung ausgesprochen, aber Ixchiq ist keine Standardimpfung“, stellt Kirchner klar. „Viele Krankenkassen erstatten jedoch als Satzungsleistung. Patient:innen sollten unbedingt vorab mit ihrer Kasse klären, ob die Kosten übernommen werden.“
Kirchner und Schwarz sind sich einig: Die Impfung ist ein wirksamer Schutz – und Apotheken können eine Schlüsselrolle spielen. „Wichtig ist der Hinweis an die Kund:innen, rechtzeitig an reisemedizinische Beratung zu denken“, sagt Schwarz. Und Kirchner betont: „Das Virus wird uns mit zunehmender Globalisierung und Klimawandel noch häufiger begegnen. Prävention durch Impfung ist der beste Weg.“