Wenn die Dehydrogenase fehlt

5-FU: Nun werden Screeningmethoden geprüft Alexandra Negt, 19.02.2020 15:08 Uhr

5-FU wird zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen eingesetzt. Für den Abbau ist das Enzym DPD zuständig. Fehlt dieses, kommt es zu schweren Nebenwirkungen. Ein Gentest könnte Sicherheit geben. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) überprüfte bereits vor einem Jahr, ob Patienten vor der ersten Verabreichung von Fluorouracil (5-FU) per Screening auf das Vorhandensein eines körpereigenen Enzyms geprüft werden sollen. Die Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD) ist am Abbau des Wirkstoffes beteiligt – fehlt dieses Enzym, kumuliert der Wirkstoff im Körper. Nun werden aktuelle Methoden von der EMA bewertet.

Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD)

Das Enzym gehört zu der Gruppe der Oxidoreduktasen. Es dient dem Abbau körpereigener Pyrimidinen wie Uracil und Thymin. Die Dehydrogenase baut auch Zytostatika wie Fluoruracil ab. Ein erblich bedingter DPD-Mangel führt dazu, dass sich diese Wirkstoffe im Körper anreichern – es kommt zu verstärkten Nebenwirkungen und mitunter zu lebensbedrohlichen Vergiftungserscheinungen. Berichten zu Folge traten bei bis zu 5 Prozent der Patienten solch schwere unerwünschten Arzneimittelreaktionen in Folge einer Arzneistoffkumulation auf.

Das Enzym DPD stellt den ersten und wichtigsten Schritt im Abbau des verabreichten 5-FU im Körper des Patienten dar. Es sind verschiedene genetische Varianten des kodierenden Gens bekannt, die zum Ausfall der DPD-Aktivität führen. Eine dieser Varianten führt zum sogenannten Exon-14-Skipping und erzeugt ein verkürztes, inaktives Enzym. Die betroffenen Patienten können den verabreichten Wirkstoff nur schwer abbauen. Verschiedene Studien zeigen, dass bis zu 40 Prozent der Exon-14-Skipping-Mutation-Träger eine schwere Intoxikation nach Verabreichung erleiden.

Mögliche Methoden

Gentests in Form von einfachen Bluttests können einen DPD-Mangel aufdecken. Aktuell ist das Screening vor einer Chemotherapie noch nicht verpflichtend – die Empfehlung seitens der EMA liegt vor. Sollten sich die Experten für ein verbindliches Screening aussprechen, so müssten die zugehörigen Fachinformationen und Leitlinien angepasst werden. Die Deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt grundsätzlich ein Screening vor Beginn einer 5-FU-Chemotherapie.

Fluorouracil, Capecitabin, Tegafur und Flucytosin

5-FU zählt zu der Gruppe der so genannten Antimetabolite und ist ein Pyrimidinanalogon. Es besitzt eine strukturelle Ähnlichkeit mit der Pyrimidinbase Uracil und wird an ihrer Stelle in die RNA eingebaut. Pyrimidin ist Bestandteil der Nukleinbasen Uracil, Thymin und Cytosin, sie sind für die Bildung von DNA und RNA verantwortlich. Pyrimidinanaloga sind veränderte Nukleinbasen, die von der Zelle anstelle der normalen Basen verwendet werden – die RNA-Synthese wird beeinträchtigt. In der Folge kommt es zu einer gestörten Zellteilung.

5-FU wird allein oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen bei einer Vielzahl verschiedener Tumorerkrankungen verwendet, darunter das Ösophaguskarzinom, das Mammakarzinom, Plattenepithelkarzinome und kolorektale Karzinome. Auch Flucytosin-haltige Antimykotika und die Wirkstoffe Capecitabin und Tegafur sind in das europäische Verfahren mit einbezogen der Grund: Bei der Anwendung und der anschließenden Verstoffwechselung entsteht 5-FU als Metabolit.

Mögliche Nebenwirkungen

In der Folge eines Enzymmangels steigt die 5-FU-Plasmakonzentration. Mögliche lebensbedrohliche oder tödliche Nebenwirkungen sind beispielsweise Neutropenie, Neurotoxizität, schwerer Durchfall oder Stomatitis. Patienten, die einen vollständigen DPD-Mangel ausweisen, sollten nicht mit dem Arzneistoff behandelt werden. Kontraindiziert ist außerdem die gleichzeitige Gabe von potenten Hemmstoffen der DPD, wie beispielsweise Brivudin, Sorivudin und entsprechenden Analoga.