Rote-Hand-Brief

Levetiracetam: 10-fache Überdosierung Nadine Tröbitscher, 21.11.2016 17:56 Uhr

Berlin - 

Medikationsfehler von Levetiraceatam-haltigen Lösungen zum Einnehmen führten zu Überdosierungen und schwerwiegenden Nebenwirkungen. Ein Großteil der Fälle trat bei Kindern im Alter zwischen sechs Monaten und elf Jahren auf. Als Ursache gilt die Verwendung der falschen Dosiervorrichtung. Die Lösung ist in 100 mg/ml erhältlich; je nach Variante ist eine Dosierspritze für 1, 3 oder 10 ml beigelegt. Apotheker sollen die verabreichende Person auf die richtige Dosierpipette und deren Benutzung hinweisen.

Die Verwechslung der Applikationsspritzen hat laut einem gemeinsamen Rote-Hand-Brief der Hersteller teilweise zu einer zehnfachen Überdosierung des Wirkstoffes geführt. Überdosierungen verlaufen oft unbemerkt, da sie meist symptomlos sind. Schläfrigkeit, erschwerte Atmung und Koma sind selten Anzeichen für eine falsche Dosierung.

Medikationsfehler und Überdosierungen können vermieden werden. Ärzte werden dazu angehalten, die Dosis in Milligramm und der entsprechenden Milliliter-Menge zu verordnen. Apotheker sollen vor Abgabe des Medikamentes sicherstellen, dass die geeignete Packungsgröße verordnet ist.

Hersteller, die mehr als eine Packungsgröße in Verkehr bringen, sollen künftig Farbkodierungen oder Piktogramme verwenden, die die verschiedenen Präparate voneinander unterscheiden. Auf der Verpackung ist anzugeben, welche Applikationsspritze mit einer bestimmten Packungsgröße zu verwenden ist

Bereits im Oktober informierte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) über Überdosierungen und empfahl eine Farbkodierung für die Lösungen: Die blaue Flasche enthält 150ml Lösung und die 1ml-Spritze – für Patienten von ein bis sechs Monaten. Grün sind die Flasche à 150ml mit 3ml-Spritze – für Patienten von sechs bis 48 Monaten. Orange soll die 300ml-Flasche mit 10ml-Spritze ab vier Jahren sein.

Levetiracetam ist ein Ethylderivat des Antidementivums Piracetam. Entwickelt wurde der Wirkstoff vom belgischen Hersteller UCB, der ihn 1985 patentieren ließ. Seit 2011 sind Generika auf dem Markt erhältlich. Levetiractam bindet an das Vesikelprotein SV2A und verhindert die Ausschüttung des erregenden Neurotransmitters Glutamat aus dem präsynaptischen Vesikel. Der Wirkstoff wird auf zwei Tagesdosen verteilt und dient der Monotherapie von Epilepsie bei fokalen Anfällen mit und ohne sekundärer Generalisierung ab dem 16. Lebensjahr. Ab einem Monat kann Levetiracetam Zusatztherapie bei fokalen Anfällen gegeben werden.

Epilepsie ist eine seit dem 16. Jahrhundert nachweisbare Erkrankung. Das als Fallsucht oder Krampfleiden bezeichnete Leiden bezeichnet mindestens einen spontan auftretenden Krampfanfall durch eine nicht bekannte Ursache in Abgrenzung zur Folge von Entzündung, Stromschlag oder Vergiftung. Die Ursache liegt auf neurologischer Ebene und ist die Folge anfallartiger synchroner Entladungen von Neuronengruppen im Gehirn.