Standortwechsel

„Wir sind doch nicht in der Stuttgarter Königstraße“ Eugenie Ankowitsch, 16.06.2018 08:42 Uhr

Berlin - 

Nicole Quandt gibt ihre Alte Apotheke in Schramberg auf und wechselt in den benachbarten Gemeindeteil Sulgen. Der Hauptgrund für den Standortwechsel ist das neue Ärztehaus, in dem eine Konkurrentin die insgesamt fünfte Apotheke der Kernstadt eröffnen will. Viele der Mediziner, die jetzt noch im Umfeld der Alten Apotheke fußläufig gut zu erreichen sind, ziehen dann ins sogenannte Medzentrum.

Die Umbauarbeiten sollen in den kommenden Wochen beginnen, der Umzug ist für spätestens Oktober geplant, berichtet Quandt: „Mir kann es gar nicht schnell genug gehen.“ Die Apothekerin gehört zu der Sorte Mensch, die – ist eine Angelegenheit erst einmal beschlossen – zielstrebig darauf hinarbeitet. So konsequent sie nun die Standortverlegung vorantreibt, so entschieden hat die Apothekerin es abgelehnt, die Spielchen der Immobilieneigentümer zu spielen, die in Apotheken oftmals nicht nur langfristige, sondern auch äußerst solvente Mieter sehen.

Vor rund drei Jahren wurde Quandt angeboten, eine Apotheke in dem neuen Ärztehaus, das damals noch in der Planungsphase war, zu betreiben. Erst sei sie dem Vorhaben sehr aufgeschlossen begegnet. Schließlich erweist sich ein Ärztehaus häufig als ein lukrativer Standort für eine Apotheke.

Doch als der künftige Vermieter die genauen Konditionen – vor allem den Mietpreis – genannt hat, zog sich die Pharmazeutin entgeistert aus dem Projekt zurück: „Ich habe ja durchaus Verständnis dafür, dass jeder sein Geld verdienen möchte, aber wir sind hier nicht in der Stuttgarter Königstraße, sondern in Schramberg.“ Sie lehnte dankend ab.

Hinzu kam, dass sich Quandt bald darauf die Möglichkeit eröffnete, eine Apotheke im benachbarten Oberndorf zu übernehmen. Der Vorbesitzer meldete zwar kurz zuvor Insolvenz an. Der Grund sei aber nicht der Standort an sich gewesen, sondern vielmehr starke gesundheitliche Probleme des Apothekers nach einem Unfall. „So habe ich mich entschieden, die Apotheke am alten Rathaus zu übernehmen und in Sachen Ärztehaus einfach abzuwarten“, erläutert die Apothekerin. Fortan durfte sie drei Apotheken ihr Eigen nennen: die Alte Apotheke und Spittel-Apotheke in Schramberg sowie Apotheke am alten Rathaus in Oberndorf.

Wenn die Apothekerin darauf spekuliert hat, dass der Ärztehaus-Vermieter den Mietpreis mit der Zeit reduziert, hat sie sich verrechnet. Es hat sich eine Kollegin gefunden, die entweder bereit war, die verlangte Miete zu zahlen oder über ein besseres Verhandlungsgeschick verfügte. Birgitt Mäntele, die seit mehr als elf Jahren die „Römer Apotheke Waldmössingen“ führt, wird die „Römer Apotheke im Medzentrum“ voraussichtlich bis Mitte April 2019 eröffnen. Zehn Arbeitsplätze sollen dort entstehen.

Für Quandt bedeutet es aber, dass die Rahmenbedingungen für ihre Alte Apotheke sich drastisch verschlechtern werden. Einige Mediziner hätten bereits in den vergangenen Jahren die Schramberger Fußgängerzone, in der sich auch die Alte Apotheke befindet, verlassen. „Bald werden weitere Mediziner, die jetzt noch im Umfeld der Apotheke fußläufig gut zu erreichen sind, in das neue Gebäude wechseln“, so Quandt.

„Es fällt mir unglaublich schwer, den Standort aufzugeben. Schließlich war es meine erste Apotheke“, bedauert die Pharmazeutin. Bereits jetzt sei aber der Umsatz spürbar zurückgegangen. Mit dem neuen Ärztehaus und dem Wegzug der übrig gebliebenen Ärzte werde sich die Situation deutlich verschärfen. „Nur von der Laufkundschaft kann man leider nicht leben“, so Quandt. Zumal es kaum Parkplätze rund um die Apotheke gebe.

Erst hat Quandt lediglich daran gedacht, die Apotheke demnächst zu schließen. Doch dann hat sie im Gemeindeteil Sulgen Räumlichkeiten entdeckt, in denen früher eine Edeka-Filiale untergebracht war. Um den Anforderungen einer Apotheke gerecht zu werden, habe sich die Vermieterin sogar bereit erklärt, die Räume so umzubauen.

Auch ansonsten hat Quandt in Sulgen eine gute Ausgangssituation für eine Apotheke vorgefunden. So praktizieren dort zum einen drei Hausärzte. Außerdem werden knapp 6900 Einwohner bisher von einer einzigen Apotheke versorgt. In der Schramberger Kernstadt können rund 8100 Einwohner derzeit zwischen vier Apotheken wählen. Ob die Alte Apotheke auch am neuen Standort so heißen wird oder einen anderen Namen bekommt, bleibt abzuwarten.